Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte
Geschichte und anderes mehr wären andernfalls verloren gegangen – als großer Name sei wenigstens Aristoteles genannt. Eine emsige Übersetzertätigkeit aus dem Arabischen wurde vor allem in Toledo in Gang gebracht, um verlorenes Wissen aus der Antike durch islamische Vermittlung für das lateinische Mittelalter nutzbar zu machen. So baut beispielsweise das berühmte Falkenbuch des Stauferkaisers Friedrich II . auf arabischen Quellen auf, wenn auch aus Sizilien.
Dass es bei aller zeitgenössischen (und späteren) Propaganda nicht zu jeder Zeit um den Sieg der vermeintlich richtigen Religion und damit um einen erbittert geführten Kampf ging, beweist sich auch politisch – mal standen muslimische Sultane unter christlicher Oberherrschaft, mal waren christliche Fürsten Vasallen muslimischer Kalifen. Neben dem kulturellen war ein reger wirtschaftlicher Austausch Kennzeichen der intensiven Begegnung der drei großen monotheistischen Religionen. Auch auf Seiten der Christen entsprachen die Ideologie von den christlichen Stammlanden und die Kreuzzugsrhetorik überall in Europa der viel pragmatischer gehandhabten Wirklichkeit nicht. Im Übrigen erwies sich der Islam als vergleichsweise tolerant: Die Glaubensausübung von Juden und Christen wurde nicht beschnitten, solange die Oberherrschaft des Sultans anerkannt wurde. Gleichwohl waren Nicht-Muslime Bürger zweiter Klasse. Die christlichen Herrscher jedoch verfuhren mit Andersgläubigen meist weniger zimperlich.
Doch al-Andalus sah sich erheblichem Druck ausgesetzt. Machtrivalitäten erschütterten das spanische Kalifat von Córdoba voninnen, von außen bedrängte die christliche Reconquista, die Rückeroberung einst christlicher Gebiete unter Führung von Generationen von Königen der spanischen Königreiche Kastilien, León, Aragón und Navarra. Ein blutiges Hin und Her war das Ergebnis, Städte und Regionen wurden christlich und wieder muslimisch und wieder christlich. 1085 konnte Toledo von christlichen Heeren zurückerobert werden, keine einhundert Jahre später Sevilla und Córdoba. Unter den Mauren Spaniens setzten sich schließlich die marokkanischen Almohaden als Herrscher durch, die eine strengere Befolgung der islamischen Gesetze verfolgten. In ihren Augen waren den Muslimen so viele Gebiete abhanden gekommen, weil al-Andalus vor lauter Reichtum und lästerlicher Lebenslust den rechten Pfad des Islam verlassen hatte. Doch die Reconquista blieb beharrlich, auch als in al-Andalus ein strengerer Islam die Zügel straffte, so dass in der ersten Hälfte des 13 . Jahrhunderts weitere Städte Spaniens in christliche Hand zurückfielen und die muslimische Bevölkerung vertrieben wurde.
Als letzte Bastion des Islam blieb das andalusische Granada ganz im Süden Spaniens, wo die Nasriden eine Herrscherdynastie errichteten und den Großteil der muslimischen Flüchtlinge Spaniens aufnahmen. Um die dreihunderttausend Muslime, aber kaum noch Christen oder Juden, lebten schließlich in dem dreihundert Kilometer langen Streifen von Gibraltar im Westen bis über Almería hinaus im Osten, zwischen den Kordilleren und der spanischen Südküste. Anfang des 12 . Jahrhunderts war nur noch ein Zehntel des früheren Besitzes der Sultane islamisch – aber diesen Rest von al-Andalus behaupteten sie noch für erstaunliche zweihundertfünfzig Jahre.
Dies verdankt sich vor allem der Umsicht und der pragmatischen Haltung des Ahnherrn der Nasridendynastie: Mohammed I . ibn Nasr begab sich 1246 vertraglich in eine Vasallenabhängigkeit vom christlichen König Ferdinand III . von Kastilien und konnte dadurch das Sultanat Granada gründen. In den folgenden Jahrzehnten mussten die Nasridenherrscher zwar tatenlos zusehen, wie immer weitere Städte der Iberischen Halbinsel dem Islam verloren gingen und rechristianisiert wurden – aber sie konnten ihren Staat bewahren und damit nicht zuletzt mus-limischen Vertriebenen Zuflucht gewähren. Und sie nutzten Zeiten der Schwäche auf Seiten der Christen zum eigenen Vorteil aus, sei es militärisch oder diplomatisch.
Die Nasriden Jusuf I . und Mohammed V ., die den Großteil des 14 . Jahrhunderts in Granada regierten, gelten als die Vorzeigenachfolger des Dynastiegründers in einer ansonsten machtpolitisch eher zweifelhaften Herrscherfolge von insgesamt 22 Sultanen. Sie waren es, die in ihrer Hauptstadt den riesigen Palastkomplex der Alhambra errichten ließen. Damit ist die ausgedehnte Palastanlage ein sichtbares Zeichen des wackeligen
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