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Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte

Titel: Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Granada zunutze, rückten im Sultanat Stück für Stück vor und ließen schließlich die Stadt belagern, bis nach endlosen Verhandlungen die Mauren in der Nacht zum 2 . Januar 1492 aufgaben. Am Dreikönigstag zogen Isabella und Ferdinand in die Alhambra ein. Der Halbmond über dem Palast wurde eingeholt und stattdessen das christliche Banner aufgezogen – die Zeit muslimischer Herrschaft auf der Iberischen Halbinsel war nach fast acht Jahrhunderten zu Ende gegangen.

    Nach dem Ende der Nasridendynastie wurde es ruhig um die Alhambra. Der Habsburger Karl V ., als Karl I . der erste wirk-liche König Spaniens, weil er zugleich die Kronen von Kastilien und Aragón besaß, begann zwar nach seinem Regierungsantritt 1516 auf dem Burgberg von Granada mit dem Bau eines Renaissancepalastes. Dieser Plan glich jedoch einer Quadratur des Kreises: Ein kreisrunder Innenhof sollte von einem quadratischen Palastgebäude umgeben werden. Das Projekt wurde allerdings nicht fertiggestellt, weil Karl kaum Zeit für Spanien hatte, sondern vor allem gegen Frankreich und die Osmanen Krieg führte. Als Nachfolger seines Großvaters Maximilian I . zudem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches musste er sich dort mit dem Beben der Reformation auseinandersetzen. Daher gesellte sichkein gleichrangiger christlicher Palast zum muslimischen der Nasriden. Seit Anfang des 18 . Jahrhunderts zerfielen die Bauten der einst so prächtigen Alhambra zusehends, bis sie seit dem 19 . Jahrhundert allmählich wiederentdeckt und schließlich konserviert und restauriert wurden. Heute ist die Alhambra nicht nur das beeindruckendste der maurischen Schmuckstücke im modernen Spanien, sondern auch das meistbesuchte Baudenkmal des Landes.

    Mit der Alhambra verbinden sich die drei Aspekte des spanischen Schicksalsjahres 1492 . Nicht nur stellten die Einnahme des stolzen Sultanspalastes und das Hissen der Fahne der »Katholischen Könige« Isabella und Fernando den im christlichen Europa gefeierten Abschluss der Reconquista dar. Die Rückeroberung setzte auch eine Reihe beklagenswerter Entwicklungen in Gang, die der katholischen Kirche noch heute erheblichen Imageschaden zufügen. Die mit den Nasriden ausgehandelten Bedingungen der Kapitulation sahen den Schutz der muslimischen Bevölkerung und die Achtung ihres Glaubens vor, was auf Betreiben der Kirche jedoch nicht eingehalten wurde: Wer nicht zum christlichen Glauben übertrat, wurde ausgewiesen. Kurz darauf wurde in der Alhambra eine weitere fatale Urkunde unterzeichnet: Im berüchtigten Alhambra-Edikt verfügten die Könige kurz darauf die Vertreibung aller Juden Spaniens, die sich nicht bekehren lassen wollten. Weit über hunderttausend spanische Juden mussten das Land verlassen, mithin ungefähr jeder achte Spanier. Die berühmte Diaspora der Sepharden, wie die spanischstämmigen Juden bis heute genannt werden, nahm ihren Anfang.
    Als wenige Monate nach diesen denkwürdigen Ereignissen der Genueser Abenteurer Christoph Kolumbus im spanischen Auftrag gen Westen absegelte, schrieb er in seinem Logbuchergriffen von den christlichen Fahnen, die nunmehr über der Alhambra wehten. Kolumbus, der nicht zuletzt wegen des spanischen Feldzugs gegen Granada lange auf diese Reise hatte warten müssen, aber gleichzeitig der damit verbundenen Kreuzzugseuphorie die Unterstützung Isabellas verdankte, hatte die Entscheidung der Königin vor Ort, unmittelbar nach der Einnahme Granadas erhalten. Kolumbus suchte den Seeweg nach Indien und fand einen der Alten Welt unbekannten Kontinent, der später nach einem anderen Entdecker »Amerika« genannt wurde. Und auch dieses Ereignis hatte zwiespältige Folgen: Einerseits setzte es Teile der Welt erstmals voneinander in Kenntnis und bedeutete den Aufbruch Europas in die Moderne. Andererseits zeitigte die Eroberung der Neuen Welt monströse Auswüchse, als im Namen des Christentums die amerikanischen Hochkulturen ausgerottet, der Kontinent kolonialisiert und Millionen Menschen versklavt wurden. Wer sich also heute bei einem Besuch der Alhambra romantischen Fantasien von säbelbewehrten Sultanen, wohlriechenden Haremsgemächern und wachsamen Eunuchen hingibt, mag auch einen Gedanken daran verschwenden, dass die kulturelle Begegnung von Religionen und Kulturen sich erheblich kriegerischer gestaltete, als es Tausendundeine Nacht suggeriert, und kein bisschen pittoresk und alles andere als harmlos ihr Ende fand. Die Alhambra steht für die maurische Zeit Spaniens und für die Begegnung und

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