Die neuen Weltwunder - In 20 Bauten durch die Weltgeschichte
archaisch absolutistische Vorstellungen königlicher Machtfülle nicht umsetzen. Zum anderen konnte er nicht verhindern, dass Bayern trotz seiner Bedeutung als deutsche Mittelmacht gegenüber Preußen wieder und wieder Zurücksetzungen erfuhr. Schließlich litt er wohl auch unter dem Gefühl eigener Unzulänglichkeit – er besaß nämlich durchaus den notwendigen politischen Scharfsinn, um die Entwicklungen in ihren unvermeidlichen Auswirkungen für Bayern nüchtern beurteilen zu können, vermisste aber an sich selbst das politische Geschick für mehr als nur akzeptable Schadensbegrenzung. Das ausgewogene Urteil muss allerdings lauten, dass nach Lage der Dinge wohl auch kein anderer an seiner Stelle Preußens letzten Triumph der Kaiserwürde hätte verhindern können.
Ludwigs politischem Eifer wurden schon sehr bald nach seinem Regierungsantritt 1864 – mit jugendlichen achtzehn Jahren – Grenzen gesetzt. Sein Verständnis monarchischer Macht im Sinne eines absolutistischen Herrschaftsideals kollidierte mit der bayrischen Verfassung, die dem König politische Fesseln anlegte, aus denen in Ludwigs Fall später wirkliche werden sollten. Seiner spätabsolutistischen Einstellung und stark ausgeprägten Persönlichkeit entsprach entschieden mehr in ebenjener Verfassung der Verweis auf den König als »heilig und unverletzlich«, was aber nur mehr hübscher Verfassungslyrik gleichkam. Ein Weiteres besorgte die deutsche Politik in den Jahren vor der Reichsgründung: Den Krieg von 1866 hatte Bayern an der Seite des unterlegenen Österreich gegen das übermächtige Preußen ausfechten müssen und sah sich nun auf der Verliererseite. Ludwig war klug genug zu erkennen, dass sein Handlungsspielraum mit der Niederlage weiter schrumpfen würde. Abdanken und Privatier werden schien eine verlockende Alternative, die der König aber nur erwog und nicht umsetzte. Unrealistische Staatsstreichfantasien ließen sich erst recht nicht verwirklichen. Stattdessen zog er sich innerlich zurück, betrieb Realpolitik, wo es sich nicht umgehen ließ – also im Ausgleich mit Preußen angesichts der sich abzeichnenden Gründung des Deutschen Reiches. Ludwig floh aus den Beschränkungen seiner politischen und königlichen Existenz und vor den Menschen insgesamt – aber er blieb gleichwohl ein höchst gewissenhafter, durchaus vernunftgeleiteter und an bayrischen Interessen orientierter Regent seines Landes. Frühere Meinungen, der Märchenkönig habe sich frühzeitig und voller Desinteresse für politische Belange aus der Regierungstätigkeit zurückgezogen, wurden inzwischen widerlegt.
Aber dass Bayern schließlich nicht mehr anders konnte, als die ungleiche Machtverteilung in Deutschland zu akzeptieren, in das neu errichtete Reich unter Führung des ungeliebten Preußen einzutreten und zu allem Überfluss auch noch imberühmten Kaiserbrief Preußenkönig Wilhelm die Kaiserkrone anzutragen – das alles war fast mehr, als der ebenso stolze wie zerrissene Ludwig ertragen konnte. In einem Brief an seinen Onkel Luitpold schrieb er resigniert vom »wahnsinnigen deutschen Kaiserschwindel«.
Immerhin versuchte der König, aus diesem Zugeständnis an das mächtige Preußen für Bayern politisch so viel wie möglich herauszuholen. Das gelang nur sehr begrenzt, weil Preußen alle Trümpfe in der Hand hatte, Gebietszuwächse – etwa die vollständige Zurückgewinnung der früher bayrischen Pfalz – beispielsweise ließen sich nicht verwirklichen. Aber es kam zu Zugeständnissen Berlins an München, darunter zu geheimen Geldzahlungen der Preußen, weswegen noch immer gern behauptet wird, Ludwig habe sein Land zugunsten des Geldes, das er für den ruinösen Schlossbau benötigte, an Preußen gewissenlos verschachert. Auch hier liegen die Dinge anders: Ludwig gab bayrische Interessen erst verloren, als es ohnehin aussichtslos geworden war, ließ sich sein Nachgeben dann aber durchaus bezahlen: Denn das ermöglichte ihm die Fortsetzung seiner Bautätigkeit.
Wie in anderen Herrscherfamilien genoss das Bauen auch unter den bayrischen Wittelsbachern einen guten Ruf. Ludwigs Großvater Ludwig I ., der zum Regierungsantritt des Enkels noch lebte, aber während der Revolution von 1848 und wegen seiner Affäre mit der Schauspielerin Lola Montez hatte abdanken müssen, hatte seiner Hauptstadt München ein stolzes, klassizistisches Aussehen gegeben, sein Nachfolger Maximilian II . hatte neugotisch ergänzt. Zumal seit Erringung der Königskrone – die
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