Die Neunte Gewalt
befürchtete schon, daß sie über Devil's Claw hinwegschießen würde. Doch sie sank tiefer und sah dann die Insel so schnell herankommen, daß sie den Zeitpunkt zum Abtauchen verpaßte. In der Folge überkompensierte sie und sank zu schnell. Der Paraglider schlug hart auf das Wasser, und Hedda sank, von ihrer Ausrüstung hinabgezogen, unter die Oberfläche. Sie kämpfte gegen die Panik an und kraulte nach oben. Als sie wieder atmen konnte, schnallte sie sich vom Drachen los und kämpfte sich durch das Tosen der Brandung zum felsübersäten Ufer. Sie konnte nur wenige andere Caretakers in der Nähe ausmachen, doch das beunruhigte sie nicht; sie würden sich an der verabredeten Stelle treffen, bevor sie sich zu zwei Teams trennten und ihren verschiedenen Aufgaben nachgingen. Bislang hatte Hedda keine Anzeichen dafür bemerkt, daß die Sicherheitsvorkehrungen an der Küste der Insel stärker waren, als Chalmers behauptet hatte. Dennoch schwamm sie vorsichtig und wandte den Blick keinen Moment vom Ufer.
Schließlich kletterte sie über die letzten Felsen und hatte den Strand erreicht. Sie fand die flache Stelle zwischen den zerklüfteten, wenn auch niedrigen Hügeln und gesellte sich zum Rest ihres Teams. Gemeinsam überprüften sie ihre Ausrüstung. Alles war trocken geblieben, auch – und darauf kam es hauptsächlich an – ihr Teil des Dynamits, das Fagin persönlich in Highland besorgt hatte.
Hedda gehörte zur Sprengmannschaft, die mit dem Dynamit drei der hohen Teufelsklauen spicken würde – genug Sprengstoff, um einen Erdrutsch auszulösen, der die Stadt auf der flachen, handtellerähnlichen Ebene darunter begraben würde. Sie würden in vier verschiedenen Gruppen zu jeweils zwei Personen arbeiten; der eine sollte das Dynamit anbringen, der andere den Zünder. Alle Zünder waren mit elektronischen Sendern gekoppelt; jeder Caretaker führte ein Exemplar mit, für den Fall, daß nur einer überleben würde und den Sprengstoff zünden konnte. Hedda schätzte, daß es zwischen zweiundzwanzig und fünfundzwanzig Minuten dauern würde, bis sie die Hügel präpariert hatten. Während dieser Zeit würden die acht anderen Caretakers die Stadt und die Landebahn sichern. Chalmers und Bloom hielten derweil mit der Beech 1900 auf die Insel zu. Vorausgesetzt, alles verlief wie geplant, würden sie die anderen etwa acht Minuten nachdem sie die Sprengladungen angebracht hatten, abholen.
Hedda zog ihren Overall aus und schnallte sich den Mehrzweckgürtel um und den Rucksack auf. An Munition führte sie vier Granaten für die M-16 und Reservemagazine für die Uzi mit. Die anderen Caretakers waren ähnlich ausgerüstet, und die mit dem Auftrag, die Landebahn zu verteidigen, verfügten über eine noch höhere Feuerkraft. Mittlerweile würden sich diese beiden Teams ihren Positionen nähern, während die Sprengteams noch einige Minuten brauchten, um die Hügel zu erreichen und die Sprengsätze zu verlegen. Die Kommunikation fand über stimmaktivierte und in Kopfhörer eingebaute Walkie-talkies statt, bei denen ein Mikroprozessor verhinderte, daß sie belauscht oder der Empfang gestört werden konnte.
Vier Mitglieder des Sprengteams waren schon unterwegs. Hedda überprüfte ein letztes Mal ihre Waffe und gab den drei Männern, mit denen sie eine Gruppe bildete, ein Zeichen. Acht Minuten nach ihrem Aufbruch bedeutete Fagin ihr und Ishmael, daß sie sich nun von den beiden anderen trennen und zu ihrem Sektor begeben mußten. Ihre Position auf dem Hügel gestattete ihr einen ungehinderten Blick auf die Ebene darunter. Die wirkliche Ansiedlung war praktisch mit Chalmers' Modell identisch. Die meisten Gebäude waren eindeutig erst später hinzugefügt worden, nachdem der Platz, den die ursprünglichen Bauten boten, nicht mehr ausgereicht hatte. Diese Erkenntnis ließ sie frösteln. Wie viele Menschen, die ihr stark ähnelten, lebten hier und warteten darauf, eine Mission anzutreten, über deren Zweck sich Chalmers bislang ausgeschwiegen hatte? Doch das spielte keine Rolle, denn keiner von ihnen würde die Insel mehr verlassen.
»Bitte melden, Hedda.«
»Ich höre, Jago«, flüsterte sie in die Sprechmuschel.
»Mein Team durchstreift die Stadt. Alles ist ruhig. Keine Spur von Leben auf den Straßen.«
»Finn«, sagte Hedda zu dem Caretaker, der die Aufgabe hatte, die Landebahn zu sichern. »Wo sind Sie?«
»Wir nähern uns dem westlichen Rand der Startbahn«, erwiderte er.
Hedda glaubte herauszuhören, daß seine Stimme
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