Die Neunte Gewalt
Türen an seine Ohren. Er hörte verstümmelte Meldungen aus Funkgeräten und Walkie-talkies, und auf dem Gestein und Kies kamen knirschende Schritte näher.
Kommt ja nicht rein! wollte er den Polizisten zurufen. Kommt nicht herein!
Kimberlain beugte sich vor; er war drauf und dran, seine Warnung tatsächlich hinauszuschreien.
Ein Kugelhagel aus einer schallgedämpften Pistole zersplitterte das Holz um ihn herum. Die Geschosse kamen aus dem Keller! Der Attentäter hatte einen Weg hinab gefunden und ihn die ganze Zeit über dort unten verfolgt. Der Fährmann sprang zur nächsten Treppe und stürmte hinauf; seine Beine bewegten sich so schnell, als wollten sie die Kugeln aus ihrer Bahn treten.
»Helfen Sie mir! Bitte, helfen Sie mir!«
Die Worte hallten von unten hinauf; der Schütze wollte die Polizisten in den Rohbau locken.
»Ich bin im Erdgeschoß … bitte, beeilen Sie sich!«
»Wir kommen herein!« rief einer der Polizisten, während er auf Verstärkung wartete.
»Nein!« rief Kimberlain hinab, doch es war zu spät.
Drei Stockwerke unter ihm brandete Automatikfeuer auf. Schmerzens- und Todesschreie folgten augenblicklich. Die schlecht vorbereiteten Polizisten hatte es kalt erwischt. In den nächsten Minuten würden ihnen keine mehr folgen. Der Killer hatte erreicht, was er wollte.
Kimberlain kletterte zum vierten Stock hinauf und blieb in einem offenem Raum von der Größe von vier noch nicht fertiggestellten Zimmern stehen. Große Arbeitstische und Sägeblöcke ruhten zwischen gewaltigen Sägespanhaufen, den Überresten erst kürzlich abgeschlossener Arbeiten. Zu schade, daß die Blöcke zu schwer waren, um sie hochheben und als Waffen benutzen zu können.
Dieser Gedanke brachte ihn auf eine Idee. Er zerrte eine Tischsäge näher zu der Schwelle, über die er den Raum betreten hatte, und bedeckte die Klinge mit Sägespänen. Dann vergewisserte er sich, daß der Stecker herausgezogen war, und schaltete das Gerät an. Er huschte zu den Steckdosen, neben denen der Stecker lag, und hatte sie gerade erreicht, als er die Schritte seines Widersachers vielleicht noch einen Korridor entfernt hörte.
Kimberlain erhaschte einen Blick auf die in die Dunkelheit vordringende Gestalt; das schwache Licht des Ganges war nur noch eine Erinnerung. Der Mann bewegte sich äußerst vorsichtig und hielt die Maschinenpistole schußbereit. Ein gelegentliches Scharren verriet Kimberlain, daß der Mann immer wieder den Bauschutt streifte, der überall auf dem Boden lag. Der Fährmann zählte die Sekunden, bis sein Widersacher die Schwelle neben der Tischsäge erreicht haben würde.
Als es soweit war, rammte Kimberlain den Stecker in die Steckdose. Die Tischsäge setzte sich mit einem jaulenden Knirschen in Bewegung und spuckte das Sägemehl in alle Richtungen davon. Der Schütze war geistesgegenwärtig genug, um nur eine Hand vor die Augen zu heben, während er mit der anderen weiterhin die Maschinenpistole festhielt. Doch Kimberlain hatte sich schon in Bewegung gesetzt.
Endlich sah ihn der Schütze und riß seine Waffe herum. Kimberlain schloß eine Hand um ihren Lauf und zwang sie hinab. Als seine andere Faust gegen das Kinn des Mannes hämmerte, fiel das Magazin der Waffe zu Boden. Der Fährmann spürte, wie die Zähne seines Widersachers nachgaben und sein Kiefer zurückgeschoben wurde. Der Mann stöhnte auf und stieß dann einen Schrei aus, der jedoch im Jaulen der Säge unterging.
Der Schütze ließ die Maschinenpistole los und warf sich gegen Kimberlain. Die beiden waren gleich groß und, wie der Fährmann feststellen mußte, auch gleich stark. Ineinander verkeilt, drehten sie sich in einer bizarren Pirouette über den Boden. Kimberlain schlug weiterhin auf das Gesicht des Attentäters ein, spürte dafür aber dessen Hiebe in seinen Rippen, spürte, wie seine Füße den Rand eines rechteckigen Lochs im Boden berührten, in das später einmal eine Treppe eingelassen werden sollte. Im halbdunklen Schimmer versuchte der Attentäter, ihn hinabzustoßen, doch Kimberlain wirbelte herum und rammte den Mann gegen die nächste Wand.
Das gesamte Gebäude schien zu erzittern. Kimberlain fand sein Gleichgewicht wieder und trat mit einem Knie zu, doch ein weiterer wuchtiger Schlag traf ihn am Hinterkopf. Dann wurde er vorwärts gezerrt, direkt gegen eine andere Wand, wie er glaubte, bis er die sich noch immer drehende Säge sah.
Seine Hand umklammerte den Tisch, und er fand einen Sekundenbruchteil Halt, bevor sein Gesicht den
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