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Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen

Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen

Titel: Die New-York-Trilogie: Stadt aus Glas. Schlagschatten. Hinter verschlossenen Türen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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bedenke, wie viele Leben auseinanderbrechen. Goffe und Whalley, zum Beispiel, zwei der Richter, die Charles I. zum Tode verurteilt hatten, kamen nach der Restauration nach Connecticut und verbrachten den Rest ihres Lebens in einer Höhle. Oder Mrs. Winchester, die Witwe des Gewehrfabrikanten, die fürchtete, dass die Geister der mit den Gewehren ihres Mannes getöteten Menschen kommen würden, um ihre Seele zu holen – und daher in ihrem Haus ständig neue Räume anbaute und ein monströses Labyrinth von Korridoren und Verstecken schuf, sodass sie jede Nacht in einem anderen Zimmer schlafen und dadurch den Geistern entkommen konnte. Das Ironische daran war, dass sie 1906, beim Erdbeben von San Francisco, in einem dieser Räume gefangen wurde und beinahe verhungerte, weil die Diener sie nicht finden konnten. Und M. M. Bachtin, der russische Kritiker und Philosoph. Während der deutschen Besetzung Russlands im Zweiten Weltkrieg rauchte er das einzige Exemplar eines seiner Manuskripte, einer Studie der deutschen Literatur, an der er jahrelang geschrieben hatte. Er nahm eine Seite seines Manuskripts nach der anderen und drehte mit dem Papier seine Zigaretten. So rauchte er jeden Tag ein wenig mehr von dem Buch, bis es aufgebraucht war. Das sind wahre Geschichten. Sie sind vielleicht auch Parabeln, aber sie haben ihre Bedeutung, weil sie wahr sind.
    Fanshawe zeigt in seinem Werk eine besondere Vorliebe für derartige Geschichten. Besonders in den Notizbüchern werden ständig kleine Anekdoten nacherzählt, und dass sie so häufig sind – und gegen das Ende zu immer häufiger werden –, deutet vielleicht darauf hin, dass Fanshawe das Gefühl hatte, sie könnten ihm irgendwie helfen, sich selbst zu verstehen. Eine der allerletzten (vom Februar 1976, zwei Monate vor seinem Verschwinden) scheint mir bezeichnend für ihn zu sein.
    «In einem Buch von Peter Freuchen, das ich einmal las», schreibt Fanshawe, «schildert der berühmte Arktisforscher, wie er in Nordgrönland von einem Schneesturm überrascht wurde. Allein und mit schwindenden Vorräten, beschloss er, einen Iglu zu bauen und zu warten, bis sich der Sturm legen würde. Viele Tage vergingen. Da er vor allem befürchtete, von Wölfen angefallen zu werden – denn er hörte sie hungrig auf dem Dach seines Iglus umherkriechen –, trat er in regelmäßigen Abständen hinaus und sang aus Leibeskräften, um sie zu verscheuchen. Aber der Wind blies heftig, und so laut er auch sang, das Einzige, was er hören konnte, war der Wind. Wenn das schon ein ernstes Problem war, so war der Iglu selbst ein noch viel größeres. Denn Freuchen bemerkte, dass die Wände seines kleinen Unterschlupfes allmählich auf ihn zurückten. Wegen der besonderen Witterungsbedingungen fror sein Atem buchstäblich an den Wänden fest, und mit jedem Atemzug wurden die Wände ein wenig dicker, und der Iglu wurde ein wenig enger, bis zuletzt kaum noch Platz für seinen Körper blieb. Es ist sicherlich erschreckend, sich vorzustellen, dass man sich in einen Sarg aus Eis atmet, und für mich ist es um einiges packender als etwa Poes Die Grube und das Pendel . Denn in diesem Falle ist der Mann selbst die Ursache seiner Vernichtung, und außerdem ist das Instrument dieser Vernichtung gerade das, was er braucht, um sich am Leben zu erhalten. Denn gewiss kann ein Mensch nicht leben, ohne zu atmen. Aber zugleich kann Freuchen nicht leben, wenn er atmet. Merkwürdigerweise erinnere ich mich nicht, wie es ihm gelang, aus dieser misslichen Lage zu entkommen. Aber ich brauche nicht zu sagen, dass er entkam. Der Titel des Buches lautet, wenn ich mich recht erinnere, Arktisches Abenteuer . Es ist seit vielen Jahren vergriffen.»

Sechstes Kapitel
    I m Juni dieses Jahres (1978) fuhren Sophie, Ben und ich nach New Jersey, um Fanshawes Mutter zu besuchen. Meine Eltern wohnten nicht mehr im Nachbarhaus (sie hatten sich nach Florida zurückgezogen), und ich war seit Jahren nicht mehr dort gewesen. Als Bens Großmutter war Mrs. Fanshawe mit uns in Verbindung geblieben, aber die Beziehungen waren ein wenig schwierig. Sie schien eine unterschwellige Feindseligkeit gegenüber Sophie zu empfinden, so als gäbe sie ihr insgeheim die Schuld an Fanshawes Verschwinden, und dieser Groll machte sich ab und zu in einer schroffen Bemerkung Luft. Sophie und ich luden sie in angemessenen Abständen zum Abendessen ein, aber sie nahm die Einladung nur selten an, und wenn sie kam, saß sie unruhig und lächelnd da, redete

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