Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise
schürfende Fragen über das Vorleben ihrer Schützlinge zu stellen. Obwohl Florence ganz Recht mit der Behauptung hatte, Sinnlichkeit dringe aus jeder Pore des Mädchens. Sie selbst konnte ihre Ausstrahlung spüren, jede Faser ihres Körpers reagierte darauf.
Zögernd suchte Marie nach den richtigen Worten. »Anfangs haben wir uns nur geküsst. Heimlich natürlich. Er hat mich gestreichelt, meinen Hals, meine Schulter ... später auch ... meine ... meine Brust.«
»Hat es dir gefallen?« Die Marquise betrachte das in Unterwäsche vor ihr stehende Mädchen. Verlangen, diesen Körper von dem feinen Leinen zu befreien und ihn zu berühren, stieg in ihr auf. Marie war gefährlich. Sie verführte sogar sie selbst dazu, den Sinn und Zweck ihrer Aufgabe aus den Augen zu verlieren. Ganz abgesehen davon, dass das Mädchen ihre Neigungen nicht teilte, das sagte ihr die Erfahrung. Sie würde sich nicht so weit vergessen, die Kleine um etwas anzuflehen, was sie ihr nicht oder nur widerwillig geben würde.
»Manchmal. Wenn er sanft war. Wenn er meine Brüste geküsst und die Warzen mit seiner Zunge gestreichelt hat.«
»Wo hat er dich noch gestreichelt? Hier?« Die Marquise legte ihre Hand an den Scheitelpunkt ihrer Beine.
»Ja. Er sagte, es wäre das Spiel, das Männer und Frauen spielen, wenn sie erwachsen sind.«
»Damit hat er Recht. Bist du gekommen, wenn er dich so gestreichelt hat? Oder musste er deine Brüste dabei küssen?«
»Manchmal bin ich so gekommen, aber wenn er meine Brust geküsst hat, ging es schneller ...«
»Und der Junge hat sich mit solchen Brosamen zufrieden gegeben?«, fragte sie ungläubig und warf Marie einen prüfenden Blick zu. »Was hast du mit ihm gemacht, damit er Erleichterung findet?«
»Nichts«, antwortete Marie verlegen. »Ich habe es zwar versucht ... doch er wollte nicht, dass ich ...«, sie räusperte sich, »... ihn berühre.«
Die Marquise hob die Brauen. »Und du hast ihn tatsächlich nicht berührt? Nicht ein Mal? Hast du ihn wenigstens nackt gesehen? In all seiner Pracht?«
Marie schüttelte den Kopf. »Er meinte, dass ein anständiges Mädchen das nicht tut.«
Die Marquise warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Der Arme muss dich ja abgöttisch geliebt haben.«
Marie dachte an Leon, wie sie ihn an der Grenze seiner Beherrschung erlebt hatte. Trotzdem hatte er sie gehen lassen. Mit jäher Einsicht begriff sie, dass die Marquise mit diesen verächtlich hingeworfenen Worten die Wahrheit sprach. »Das tat er vermutlich wirklich«, entgegnete sie leise.
»Er war der Erste, aber bestimmt nicht der Letzte, mein Kind.« Sie ließ Maries Gesicht nicht mit den Augen los. »Berührst du dich auch selbst?«
Marie nickte und senkte verlegen den Kopf.
»Daran ist nichts Verwerfliches. Besser, du verschaffst dir auf diese Weise, was du brauchst, als du vögelst mit dem falschen Mann. Und glaub mir, davon gibt es mehr, als du dir vorstellen kannst.« In einer Vision sah sie Marie vor sich, nackt auf dem Bett ausgestreckt, die Finger in ihrem Schoß vergraben, das Gesicht vor Lust verzerrt. Für den Bruchteil einer Sekunde erwog sie, der ungeheuren Anziehungskraft dieses Mädchens nachzugeben, Geld und Schulden zu vergessen, Florence zu vergessen und ihren Kopf zwischen den weißen Schenkeln zu vergraben.
Sie spürte, wie sie feucht wurde, und grub die Fingernägel in ihre Handballen. Nein, Marie Callière würde ihr auf andere Weise nützlich sein. Sehr nützlich, beschloss sie in diesem Augenblick und verwarf den Plan, in Paris zu bleiben.
»Ja, Madame la Marquise«, entgegnete Marie.
Juliette de Solange blinzelte verwirrt. Sie wusste nicht mehr, worauf sich die Antwort bezog. »Gut. Zieh dich an.« Ihr Körper schmerzte vor Verlangen. Sie wandte sich ab, da sie fühlte, wie ihr die Beherrschung entglitt. »Wir sehen uns beim Abendessen. Jetzt muss ich mich mit Florence unterhalten. In letzter Zeit erfüllt sie ihre Aufgaben nicht zu meiner Zufriedenheit.«
5
Versailles. Marie konnte es zuerst nicht glauben, als ihr die Marquise offenbarte, dass sie an den Hof nach Versailles gehen würden. Doch Florence packte ohne Federlesen zahlreiche Truhen und Reisetaschen voll und fuhr damit im frühen Morgengrauen los, um die Unterkunft vorzubereiten.
»Geht denn das so einfach? Darf jeder nach Versailles fahren?«, fragte Marie ein wenig ungläubig.
»Nun, ich kann, denn ich habe durch die Güte des Königs ein kleines Appartement im Schloss, das mir jederzeit zur Verfügung steht.
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