Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise
ist alles geregelt. Du bist als Gesellschafterin der Herzogin von Demiant hier in Versailles. Du wirst in ihren Appartements wohnen und gehörst damit zu den Hofdamen.«
Marie zog die Brauen zusammen. »Ich dachte ...«, begann sie kläglich.
»Was dachtest du?«, fragte die Marquise. »Etwa, dass du in den Gemächern des Königs einquartiert wirst?«
»Das wäre doch nicht völlig abwegig ...«
Die Marquise begann schallend zu lachen. »Ach, du meine Güte, Marie, sogar die Königin hat ihre eigenen Gemächer, ebenso La Valliére. Das hier ist ein Königsschloss, kein Bauernhof.«
Marie versuchte so würdevoll wie möglich dreinzublicken. »Aber wie soll er denn ...«
»Er wird dich zu finden wissen, verlass dich drauf«, entgegnete die Marquise trocken. »Und es liegt an dir, dass er dich nicht vergisst oder dass sein Interesse erlischt.« Sie ging auf Marie zu und blieb mit verschränkten Armen vor ihr stehen. »Das bringt mich zu einem anderen Punkt. Sobald ich das Schloss verlassen habe, ist unsere Beziehung beendet. Was immer dir zustößt, ich werde dir meine Tür nicht mehr öffnen, und wenn ich dir auf der Straße begegnen sollte, werde ich dich nicht kennen. Ich habe für dich getan, was ich konnte. Dein weiteres Schicksal liegt allein in deiner Hand.«
Marie nickte. »Natürlich, Madame la Marquise.« Ihre Stimme klang so herablassend, dass sogar sie selbst es hörte. Doch die Marquise schien es nicht zu stören. »Gut. Ich will nur sichergehen, dass du schon jetzt begreifst, dass es keinen Sinn hat, auf meiner Türschwelle zu flennen, wenn die Dinge sich nicht so entwickeln, wie du es erwartest.«
Den Tag verbrachten die Frauen mit dem Packen der Truhen. Am späten Nachmittag erschien Amelie, eine der Zofen der Herzogin von Demiant, und holte Marie ab.
Die Gemächer der Herzogin befanden sich in einem anderen Flügel des Schlosses. Beklommen folgte Marie dem Mädchen durch die Salons ins Boudoir. Sie wusste nicht, was als Gesellschafterin von ihr erwartet wurde. Sie konnte weder lesen noch schreiben, kannte sich in der vornehmen Welt nicht aus und hatte auch keine Übung in der leichten Konversation, die am Hof vorherrschte.
Die Herzogin lag in einem Himmelbett, dessen Vorhänge zurückgezogen waren und den Blick auf eine fragile grauhaarige Frau freigaben, auf deren Kopf eine riesige Haube thronte. Die Brust hob sich kaum merklich, und die Hände auf den weißen Laken wirkten fast durchsichtig.
Marie blieb vor dem Bett stehen und räusperte sich. Die Frau öffnete die eingefallenen Augen einen Spalt. »Sie haben mir gesagt, dass sie ein Mädchen hier einquartieren werden. Bist du das?« Die Stimme klang schwach, kaum mehr als ein Hauch.
»Ja, Euer Gnaden«, antwortete Marie.
»Wessen Protegé bist du denn? Lauzuns? Peripasses?«
»Der König war so gnädig, sich um mein Wohlergehen zu kümmern.«
Die Herzogin beeindruckten diese Worte nicht im Geringsten. »Auch gut. Solange du meine Ruhe nicht störst, kannst du es mit dem ganzen Hofstaat treiben.« Sie hob leicht den Arm, zum Zeichen, dass Marie verabschiedet war, und ließ die Hand dann wie ein welkes Blatt auf die Decke fallen.
Marie knickste und wandte sich zum Gehen. Die Zofe brachte sie in ein angrenzendes Zimmer. »Das ist für die nächste Zeit Euer Appartement, Mademoiselle Callière. Eure Kleider werden noch heute hergebracht.«
»Danke. Ist ... ist die Herzogin krank?«, fragte sie neugierig.
»Sie ist alt. Aber sie will nicht sterben. Der Arzt sagt, dass sie schon seit zehn Jahren tot sein sollte. Aber sie jagt den Tod immer wieder in die Flucht.«
»Was muss ich für sie tun?«
Die Lippen der Zofe verzogen sich zu einem verächtlichen Grinsen. »Für die Herzogin müsst Ihr gar nichts tun. Für denjenigen, der euch hier einquartiert hat, müsst Ihr etwas tun.«
Die Worte klangen despektierlich, doch die Zofe hielt ihrem Blick stand. Marie entschied, nicht darauf zu achten. »Bist du auch meine Zofe?«
Der geringschätzige Ausdruck auf Amelies Gesicht verstärkte sich. »Nein. Ich arbeite nur für die Herzogin. Es gibt hier genug Mädchen, die sich für ein paar Münzen um Eure Kleider und Euer Haar kümmern, wenn Ihr über keine eigenen Dienstboten verfügt. Ich kann Euch jederzeit welche schicken.«
Marie nickte. »Das wäre sehr nett von dir.« Sie hatte zwar keine Ahnung, woher sie die paar Münzen nehmen sollte, aber auch dafür würde sich eine Lösung finden.
Als sie wenig später in das Appartement der
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