Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise
merklich kühl klang, klammerte sie sich an den Inhalt seiner Worte. »Ich danke Euch, Sire. Ich zähle die Minuten bis zu unserer Unterredung.«
Die Tage verstrichen, ohne dass sie eine Audienz bekam. Fanette hatte zwei Kleider verkaufen können, allerdings war der erhaltene Betrag lächerlich gering. Marie verließ ihr Zimmer nicht mehr. Sie brütete vor sich hin. Verfluchte abwechselnd die Frechheit des Chevaliers, ihre eigene Dummheit und den Klatsch im Schloss.
Endlich, als sie schon nicht mehr daran glaubte, sandte ihr der König eine Botschaft, in der sie zu einer Audienz geladen wurde. Im cabinet de conseil, seinem Arbeitszimmer. Es bestand also kein Zweifel, dass es sich tatsächlich um eine offizielle Unterredung handelte.
Doch das bekümmerte sie nicht. Alles, was zählte, war, dass sie Gelegenheit bekam, alleine mit dem König zu sprechen. Sie würde ihn überzeugen. Sie würde ihn erinnern, was sie verband.
Sie würde ihn verführen.
Mit beschwingten Schritten, in einem Kleid, das ihre Vorzüge ins rechte Licht rückte, machte sie sich auf den Weg. Ihre dunklen Gedanken waren verflogen. Alles würde gut werden.
Der Zeremonienmeister brachte sie vom antichambre zum Arbeitszimmer des Königs. Er trat ein und kündigte sie mit ihrem Namen an. Nach einem tiefen Atemzug ging Marie an ihm vorbei und versank sofort in einem tiefen Hofknicks.
»Sie darf sich erheben«, sagte der König, der hinter einem zierlichen, aus poliertem Nussbaum gearbeiteten und mit Perlmuttintarsien verzierten Schreibtisch saß.
Marie erhob sich mit einem strahlenden Lächeln. Das Lächeln gefror, als sie feststellte, dass sie nicht mit dem König alleine war und dass es sich bei dem Mann, der in einem der beiden Audienzstühle saß, um den Chevalier de Rossac handelte.
Sie riss sich zusammen und schritt graziös auf den freien Stuhl zu. Sie hatte den Chevalier seit der Nacht bei Madame Dessante nicht mehr gesehen, weder im Park noch bei den Feierlichkeiten im Schloss. Insgeheim hatte sie gehofft, dass er abgereist war. Egal, sie würde sich von ihm nicht irritieren lassen.
»Sire«, sagte sie mit kehliger Stimme, »ich bedanke mich für die Audienz, die Ihr mir gewährt.«
»Ich bin bekannt für meine Güte«, entgegnete der König mit einem Hauch Sarkasmus. »Bedauerlicherweise wird meine Güte von manchen meiner Untergebenen mit Schwäche verwechselt. Oder mit Dummheit.«
Marie riss ihre Augen auf. »Sire, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, ich ...«
»Nein?«, unterbrach sie der König scharf. »Dann hält Sie mich also tatsächlich für begriffsstutzig.«
Der Ton, mit dem er zu ihr sprach, war neu und ungewohnt. Keine verspielten Neckereien, keine verborgene Zärtlichkeit. Ihr Vorhaben, ihn mit Worten und Taten an ihre gemeinsamen Stunden zu erinnern, bekam nicht einmal den Hauch einer Chance.
Ihr Schicksal stand auf der Kippe, das spürte sie mit jeder Faser ihres Körpers. Die Angst brachte sie dazu, alle Diplomatie außer Acht zu lassen. »Sire, was immer Ihr gehört habt, es ist böswilliger Klatsch, ich habe Feinde, die zu jedem Mittel greifen, um mich zu verleumden.«
Die Hand des Königs krachte auf den Tisch. »Gehört? Sie beliebt zu scherzen. Ich habe Ihren infamen Betrug mit eigenen Augen gesehen.«
Alles Blut wich aus Maries Gesicht. »Gesehen?«, echote sie, blass bis in die Lippen.
»Gesehen«, bestätigte der König und jede Silbe triefte vor Spott. »Wenn Sie sich schon zu Schäferstündchen hinreißen lässt, sollte Sie Ihren Galan nicht gerade an jenem Ort empfangen, den der König ausgewählt hat.«
Marie wollte nicht glauben, dass der König sie ertappt haben sollte, als sie mit dem Chevalier zugange war. Allerdings war der Gedanke nicht von der Hand zu weisen. Schließlich hatte der König den salon des anges als Treffpunkt bestimmt. Warum hatte er nichts gesagt? Warum hatte er so lange geschwiegen? Wenn sie nicht auf eine Aussprache bestanden hätte, würde sie nie davon erfahren haben. Sie überlegte fieberhaft, wie sie sich aus dieser Situation herauswinden konnte.
»Ich bezahle Frauen wie Sie für Treue und Loyalität. Oder zumindest für die Illusion davon. Einen derart frechen Betrug kann ich weder vergessen noch will ich ihn vergeben.«
Marie entschied sich für Tränen. »Ich habe Euch nicht betrogen, Sire. Ich wurde benutzt. Gegen meinen Willen missbraucht. Er ...« - sie streckte den Arm aus und deutete mit einem zitternden Zeigefinger auf den Chevalier - »...
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