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Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise

Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise

Titel: Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Charon
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ihren Kleidungsstücken. Schmerzensschreie ertönten, als Glassplitter in nackte Fußsohlen schnitten.
    Marie blickte mit vor Angst geweiteten Augen zu den Fenstern. Ihr Albtraum erreichte eine neue Dimension. Die durch die Wurfgeschosse bereits in Mitleidenschaft gezogenen Vorhänge wurden aus den Halterungen gerissen, als der empörte Pöbel sich anschickte, das Haus zu stürmen.
    Alle, die mehr als einen Faden am Leib trugen, liefen zu der Tür des Salons und rissen sie auf. Allerdings kamen sie nicht weit. Grölende, skandierende Stimmen bewiesen, dass die Eindringlinge bereits die Vordertür attackiert hatten und die Gäste des Etablissements zusammentrieben, um ihre Flucht zu vereiteln.
    Längst waren die Männer, die vor Marie gestanden hatten, aufgesprungen, um das Weite zu suchen. Auch der Junge, der ihr Bein festgehalten hatte, war verschwunden. Ebenso der Chevalier.
    Marie presste die Schenkel zusammen. Einer Gefahr war sie entkommen, nur um sich in einer weit größeren wiederzufinden. Die Männer, deren aufgeheizte Stimmen sie durch das Haus hallen hörte, würden sich nicht damit zufrieden geben, sie zu vergewaltigen. Sie würden sie töten.
    Verzweifelt zerrte sie an den Fesseln, ohne sie um ein Jota lockern zu können. Inzwischen hatten die Eindringlinge die Vorhänge zur Gänze heruntergerissen und befanden sich mitten im Raum. Zu Maries Erstaunen waren es keine Männer, sondern vier Frauen, die mit Heugabeln und Dreschflegeln vor ihr standen. Ein Hoffnungsschimmer tauchte auf.
    »Bitte, helft mir. Man hat mich gegen meinen Willen hierher geschleift, ich habe mit all dem nichts zu tun. Bitte, bindet mich los«, flehte sie wieder.
    Eine der Frauen trat näher. Sie trug wie die anderen einfache Kleidung und eine Haube auf dem Kopf, ihr Alter konnte ebenso gut dreißig Jahre wie fünfzig Jahre betragen.
    »Das glaube ich dir aufs Wort, Kleine«, sagte sie spöttisch und griff nach dem feinen Stoff ihres Kleides, den sie zwischen ihren Fingern rieb. »Du bist eine von ihnen, die sich an ihren abartigen Spielen ergötzt.«
    »Nein, das bin ich nicht, bitte ... helft mir ... ich bin eine von euch, so glaubt mir doch.« Marie zerrte verzweifelt an ihren Fesseln.
    »Die läuft uns nicht weg, kommt, wir suchen Claude, vielleicht braucht er Unterstützung, wenn er den Schweinen eine Lehre erteilt.«
    Die anderen Frauen nickten. Sie gingen durch den Raum und hieben dabei mit den Dreschflegeln auf die Möbel und Bilder ein, zerbrachen Vasen und Spiegel und schlitzten die Bezüge der Liegen mit den Heugabeln auf. Nachdem sie alles verwüstet hatten, rannten sie aus dem Salon.
    Marie zitterte. Die sinnlose Zerstörung ansehen zu müssen, die rohe Gewalt, die den aufgestauten Hass verriet, samt der Drohung, dass sie zurückkommen würden, verwandelten sie in ein zitterndes Bündel Angst. Wenn sie zurückkamen, würden sich die Heugabeln in ihren Leib bohren. Mit geschlossenen Augen ließ sie den Kopf resigniert nach hinten auf ihre tauben Arme sinken. Ihr Schicksal war besiegelt.
    Jemand griff nach ihren Handgelenken, einen Moment später ließ der Schmerz in ihren Schultern nach und die Fesseln fielen zu Boden. Benommen öffnete sie die Augen. Der Chevalier stand neben ihr.
    In der Hand hielt er ein Messer und sein Ausdruck verhieß nichts Gutes. »Ihr braucht mir nicht zu danken. Euer Tod genügt mir nicht. Ich will, dass Euer Leben sich in nicht enden wollenden Schmerz verwandelt. Dafür habe ich sechzehn Jahre lang Zeit und ich werde keinen Tag davon verschenken.« Seine klare Stimme verriet, dass sich die Alkoholschleier von seinem Verstand gehoben hatten.
    Marie sah ihn an. Sie war zu erschöpft, um etwas zu erwidern. Langsam bewegte sie ihre Schultern und rieb ihre Handgelenke. Ihr Blick fiel auf eine angelehnte Tapetentür. Vermutlich hatte sich der Chevalier dort verborgen.
    »Wenn Ihr keinen Tag verschenken wollt, dann sollten wir uns daranmachen, diese gastliche Stätte zu verlassen«, sagte sie müde. Die Angst hatte alle anderen Empfindungen aus ihr vertrieben.
    »Hinter dem verborgenen Zimmer ist ein Dienstboteneingang, vielleicht können wir so entkommen.« Er machte keine Anstalten, ihr beim Aufstehen zu helfen oder ihr Kleid zu glätten.
    »Was immer Ihr vorschlagt, Chevalier.« Mit steifen Beinen folgte sie ihm in die mit Gucklöchern ausgestattete Kammer und merkte, dass er die Tür hinter ihnen verriegelte. Mit den verbliebenen Haarnadeln steckte sie das abgerissene Vorderteil ihres Kleides

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