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Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise

Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise

Titel: Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Charon
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seine feuchte Haut.
    Vor sechs Jahren hatte seine Aufmerksamkeit eine willkommene Abwechslung in ihrem eintönigen Tagesablauf bedeutet. Zuerst hatte sie ihn als jungen, ungestümen Draufgänger gesehen und seine Avancen nur belächelt. Schließlich war er zehn Jahre jünger als sie. Dann hatte das Spiel mit dem Feuer sie gereizt. Der Gedanke, den jugendlichen Heißsporn zu verführen, faszinierte sie. Dass nicht sie ihn, sondern er sie verführt hatte, wurde ihr erst viel später klar.
    In der ersten Zeit trafen sie sich fast täglich, heimlich, doch schließlich besuchte er sie regelmäßig im Schloss Plessis-Fertoc. Zwar hatte sie im Lauf der Zeit einige Liebhaber gehabt, aber keiner forderte alle ihre Sinne in jenem Ausmaß, wie Tris es tat. Sie fühlte sich lebendig, wenn sie bloß an ihn dachte. Die Schwermut, die seit der Hochzeit mit Jacques über ihr lag, verflüchtigte sich, und sie empfand eine schier unstillbare Lebensfreude. Sie legte mehr Wert auf ihr Aussehen, besuchte wieder Feste und pflegte seither auch wieder den Kontakt mit ihrem Bruder.
    Sie hatte kein schlechtes Gewissen, was ihren Ehemann Jacques betraf. Sie nahm ihm nichts weg. Im Gegenteil, er freute sich, wenn sie guter Laune war und mit ihm scherzte, statt immer an ihm herumzunörgeln oder ihn zu ignorieren. Tris brachte Jacques auch keine negativen Gefühle entgegen, wie Henri es tat.
    Tris behandelte ihn mit der gutmütigen Nachsicht eines väterlichen Vertrauten, spielte Karten mit ihm oder ritt mit ihm aus. Wenn sie darüber nachdachte, dann war das einer der Gründe, warum sie Tris nicht nur als Liebhaber, sondern auch als Freund schätzte.
    »Ghislaine«, flüsterte er in ihr Ohr, »meine wunderbare Ghislaine. Es ist so schön, wieder bei dir zu sein.«
    Er rollte sich zur Seite, ohne sie loszulassen, und strich ihr Haar zurück, um ihr Gesicht sehen zu können. Sie erwiderte seinen Blick, allerdings lag ein Hauch von Melancholie darin. »Wird es so sein wie früher, oder ist das dein Abschiedsbesuch? Henri hat mir geschrieben, dass du dein Vorhaben verwirklicht und eine Ehefrau mitgebracht hast«, fügte sie hinzu, als er die Brauen hob.
    Tris fragte sich, was Henri wohl noch geschrieben hatte. »Mach dir keine Gedanken, mein Engel, solange ich hier willkommen bin, wird sich nichts ändern für uns«, entgegnete er beruhigend und hoffte, das Thema damit beendet zu haben. Doch Ghislaine dachte nicht daran, sich in diskretes Schweigen zu hüllen.
    »Wie ist sie?«, bohrte sie stattdessen weiter.
    »Jung, blond und sehr von sich überzeugt.« Noch während er sprach, wusste er, dass er einen Fehler begangen hatte.
    »Wie jung?«, fragte Ghislaine prompt.
    Tris wand sich. »Viel zu jung.«
    Ghislaines bernsteinfarbene Augen bohrten sich in seine.
    »Neunzehn«, murmelte er.
    Ghislaine ließ sich auf den Rücken fallen und schloss die Augen. »Madame de Rossac ist also fast halb so alt wie ich.«
    »Und nicht halb so verführerisch wie du«, beeilte sich Tris zu versichern. »Sie ist ein Dummchen, ein affektierter Hohlkopf, und sie besitzt nichts, was mich daran hindern könnte, dich weiterhin zu besuchen«, fügte er hastig hinzu und verdrängte die Erinnerung an Maries feuchte Spalte, die sich wie ein heißer, seidener Handschuh um ihn gelegt hatte. »In ganz Versailles habe ich keine Frau gefunden, die dir an Schönheit und Charme das Wasser reichen könnte. Keine, deren Augen Funken sprühen und deren Lächeln mein Herz schneller schlagen lässt.«
    »Schmeichler«, entgegnete Ghislaine trocken und öffnete die Augen. »Aber nachdem ich wusste, dass du mit Henri gehst, um dir eine Frau zu suchen, um La Mimosa vor dem Untergang zu retten, steht es mir wohl nicht anzunörgeln. Solange mir Nächte wie diese bleiben, will ich nicht darüber richten, was du in deinem Haus treibst.«
    »Du siehst mich erleichtert.« Tris nahm ihre Hand und hauchte einen Kuss auf die Innenseite. Das Letzte, was er wollte, war, sich die Stimmung zu verderben, indem er an Marie dachte. Geschweige denn, mit Ghislaine über sie zu sprechen.
    Ghislaine ließ ihre Hand über seine Wange zu seinem Nacken gleiten und zog ihn zu sich. »Ich hoffe nur, du bist nicht zu erleichtert.«

16
    Marie erwachte mit bohrenden Kopfschmerzen. Sie hatte sich beim Abendessen reichlich vom Wein bedient und nicht darauf geachtet, dass er wesentlich schwerer war als das liebliche, verwässerte Tröpfchen, das in Versailles an der Tafel gereicht wurde. Mitschuldig an ihrem

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