Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise
aufnehmen, und so rann es in kleinen Sturzbächen den Hügel hinunter.
Tris' Herz schlug ihm bis zum Hals. Marie in diesen tobenden Naturgewalten zu finden, glich dem Versuch, eine Stecknadel aus einem Heuhaufen zu ziehen. Warum war sie nicht mit den anderen zum Haus zurückgefahren?
Ein Blitz zerriss jäh den Himmel und sein Hengst stieg auf den Hinterbeinen in die Höhe. Tris parierte ihn mit einiger Anstrengung, als ein zweiter Blitz folgte. In der sekundenlangen Helligkeit sah er Marie. Sie stand mit ausgebreiteten Armen am Ende des Feldes und hielt ihr Gesicht dem Regen entgegen. Ungläubig wischte er sein nasses Haar aus dem Gesicht. Was zum Teufel tat sie da?
Er ritt näher, bis er vor ihr stand. »Marie, komm her, wir reiten zurück.«
Sie wandte den Kopf zu ihm, ohne ihre Haltung zu ändern. »Es regnet«, sagte sie, als wäre das die Antwort auf alle Fragen.
»Ja, und du solltest zurück ins Haus, ehe der Blitz dich erschlägt.«
»Angst um deine Steuerbefreiung, Tris?«, warf sie ihm über die Schulter zu und begann sich zu drehen. Schneller und schneller. Ihre nassen Haarsträhnen flogen Tropfen sprühend um ihren Kopf, der nasse Rock bauschte sich wie ein umgekehrter Kelch. Es war ein ebenso faszinierendes wie beängstigendes Bild.
»Komm, Marie, es ist zu gefährlich, hier draußen zu bleiben«, schrie er in den Sturm.
»Dann geh doch. Mir gefällt es hier. Es ist wunderbar. Wunderbar. Wunderbar.«
»Marie sei vernünftig, wir ...« Der Blitz schlug unmittelbar vor ihnen in die Erde ein. Dampf wallte auf, es stank nach Schwefel, und Tris' Pferd stieg wieder panisch in die Höhe. Und diesmal konnte er es nicht unter Kontrolle bringen, sosehr er sich auch abmühte.
Der Hengst schlug unvermittelt nach hinten aus, Tris flog über den Kopf und landete unsanft auf dem matschigen Boden. Die Wucht des Aufpralls presste die Luft aus seinen Lungen, und als er wieder klar denken konnte, war das Pferd längst über alle Berge.
Marie drehte sich noch immer entrückt um sich selbst und beachtete ihn nicht. Er stand auf, ignorierte seine schmerzende Hüfte und packte Marie an den Schultern. »Gottverdammte Närrin«, fluchte er. »Der nächste Blitz kann uns erschlagen, das Pferd ist weg, und du führst dich auf, als hättest du deinen Verstand verloren.«
»Soll das heißen, Ihr traut mir tatsächlich Verstand zu, Chevalier de Rossac?«, gab sie spöttisch zurück und strich ihr nasses Haar aus dem Gesicht.
»Im Moment weiß ich es nicht«, knirschte er durch die Zähne. »Wir müssen einen Unterstand suchen. Zurück zum Haus schaffen wir es nicht.«
»Mir gefällt es hier. Ich mag den Regen und den Blitz und den Donner. Hier spüre ich endlich, dass ich lebe. Ich lebe. Lebe«, schrie sie in den Regen. Sie versuchte, sich aus seinem Griff zu winden, was ihr auch gelang, und rannte querfeldein weiter.
Tris hastete ihr nach. Die nasse Wiese bot keinerlei Halt, und er rutschte - im Gegensatz zu Marie - mehrmals aus. Ihr helles Lachen brachte ihn an den Rand des Wahnsinns. Fluchend lief er weiter, und schließlich gelang es ihm, ihren triefenden Rock zu erwischen und sie festzuhalten.
Sie lachte ihm ins Gesicht. Wasser lief über die nackten Schultern und die Rundungen ihrer Brüste, die sich heftig hoben und senkten. Der nasse Stoff ihres Hemds ließ die harten Brustwarzen sehen. Die Energie, die von ihr abstrahlte, war ebenso stark wie jene des Unwetters.
»Du könntest einen Heiligen um den Verstand bringen«, knurrte er und zog sie an sich.
»Das bist du jetzt also. Ein Heiliger.« Sie lachte noch immer, und er konnte dieses Lachen nicht mehr hören. Seine Lippen verschlossen ihren Mund. Brutal. Leidenschaftlich. Mit einem geradezu verzweifelten Verlangen.
Er presste sie hart an sich. Tauchte mit der Zunge tief in ihren heißen, süßen, samtigen Mund. Wollte sie strafen für die Angst, die er ausgestanden hatte, und für das Verlangen, das er empfand, sobald er sie sah. Doch sie ließ sich nicht strafen, sondern wand ihre Arme aus seiner Umklammerung, ohne den Mund von seinem zu lösen. Ihre Finger glitten in sein nasses Haar, zerrten daran im Wunsch, noch enger mit ihm zu verschmelzen.
Als er endlich den Kopf hob und in die großen dunklen Augen sah, wusste er, dass er verloren hatte. Er würde ihr geben, was sie wollte und wonach er sich seit Wochen sehnte. »Wir müssen hier weg. Es ist gefährlich.«
Obwohl sie nickte, wusste er nicht, ob sie ihn tatsächlich verstanden hatte. Er nahm ihre
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