Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise
zu glauben.«
»Im Moment fällt es mir in der Tat schwer«, schnaubte Marie und riss ihm den Mantel aus der Hand.
Er lehnte sich an den Bettpfosten. »Es ist an der Zeit, dass du begreifst, dass du deinen Willen nicht immer durchsetzen kannst.«
»Aber du kannst es.« Ihre Finger zitterten, als sie den Gürtel zuband.
»Marie, das führt zu nichts. Du bist eine atemberaubende Schönheit, und das weißt du auch. Der Mann, der dir widerstehen kann, muss erst noch geboren werden.«
»Trotzdem willst du mich nicht ...«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht auf diese Art und Weise.«
Marie ging zur Tür. »Dann lass es mich wissen, wenn du eine Art gefunden hast, in der du mich willst.«
20
Obwohl es Marie schwer fiel, mit dieser Abweisung zu leben, änderte sie nichts an ihrem Verhalten. Sie blieb freundlich zu Tris, behandelte die Nachbarn mit zuvorkommender Höflichkeit und kümmerte sich weiterhin um das Haus.
Troy hatte den Schreibunterricht abgebrochen, da sie seiner Meinung nach alles erlernt hatte, was es zu erlernen gab, und stellte ihr zum Abschluss eine Liste empfehlenswerter Bücher aus der Bibliothek zusammen. Damit eröffnete sich für Marie eine neue Welt, die sie kurzfristig ihre Probleme mit Tris vergessen ließ.
Außerdem schrieb sie einen Brief an ihre Eltern. Sie würden zwar damit zum Pfarrer laufen müssen, um zu erfahren, was in dem Schreiben stand, aber es war ihr ein Bedürfnis, von ihrem neuen Leben zu berichten. Sie und alle andern in Trou-sur-Laynne sollten wissen, dass sie - Marie Callière, eine arme Bauerstochter - die ehrbare Frau eines Adeligen geworden war.
Die Hitze des Sommers hielt unvermindert an und damit die Trockenheit. Tris sprach nahezu über nichts anderes mehr als davon, die Lese vorzuziehen, ehe die Trauben auf den Stöcken verdorrten. Schließlich wies er die Knechte an, in Lassieux und anderen Dörfern nach Taglöhnern zu suchen, um die Lese zu beginnen.
Marie beobachtete von der Terrasse aus, wie der Tross aus Wagen und Menschen sich auf den Weg zu den Weinbergen machte. Abends kamen sie zurück und das fröhliche Gelächter riss Marie aus der Lektüre des Buches, mit dem sie sich gerade beschäftigte.
Auf dem Platz vor dem Haus waren lange Tische und Bänke aufgestellt worden, die den knapp fünfzig Lesehelfern Platz boten. Suzanne hatte zwei riesige Töpfe mit Gemüseeintopf vorbereitet, dazu gab es gekochte Eier, Brot, Butter und Wein. Schlafen sollten die Leute in den Ställen und auf dem Heuschober.
Marie ging hinaus, um sie zu begrüßen. Ehe sie sich versah, saß sie inmitten des bunten Völkchens und lachte über ihre Geschichten. Es tat ihr gut, einmal nur sie selbst sein zu dürfen und nicht daran denken zu müssen, einen möglichst günstigen Eindruck zu hinterlassen. Spontan beschloss sie, am nächsten Morgen mit ihnen in die Weinberge zu fahren. Etwas Abwechslung würde ihr gut tun.
Obwohl die Sonne vom Himmel glühte, bereitete Marie die Arbeit im Weinberg großes Vergnügen. Sie kam ihrem Bewegungsdrang entgegen, ohne so anstrengend zu sein wie das Mähen oder Bestellen der Felder in Trou-sur-Laynne. Die Körbe füllten sich schnell mit den geschnittenen Reben und die Männer trugen sie zu den wartenden Fuhrwerken. Die Presse stand in einem Anbau des Hauses, ebenso wie die Abfüllanlage, die den Rebensaft von den Kelter-Bottichen direkt in die Eichenfässer fließen ließ.
Marie füllte durstig einen Becher mit dem frisch gepressten Rebensaft und trank ihn in einem Zug leer. Ihr Gesicht war von Schmutz und Schweiß bedeckt, ihr aufgestecktes Haar löste sich bereits aus dem Knoten. Sie fühlte sich zwar erschöpft, gleichzeitig aber heiter und zufrieden über die geleistete Arbeit. Fanette bereitete im Haus ein Bad für sie vor, und sie freute sich darauf, im warmen duftenden Wasser zu liegen. Natürlich ein Privileg für die Hausherrin, denn die anderen wuschen sich am Brunnen.
Sie nahm sich noch einen Becher und hörte Schritte hinter sich. Tris hatte die Halle betreten. Er kam offenbar gerade vom Brunnen, denn er trug sein schmutziges Hemd in der Hand, und auf seinem nackten Oberkörper glitzerten Wassertropfen. Seine physische Ausstrahlung ließ Schmetterlinge in ihrem Bauch tanzen.
»Wie war dein erster Tag als Weinleserin?«, erkundigte er sich.
»Gut. Anstrengend, jedoch überaus befriedigend.« Das letzte Wort hing in der Luft.
Er nickte und ging zu den Bottichen. »Nach dem Essen werden wir den Saft in die Fässer füllen.«
Marie
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