Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise
folgte ihm, angezogen wie die Motte vom Licht. Sie tauchte den Becher in den Bottich und reichte ihn Tris. Während er trank, lief ein Tropfen über seine Brust nach unten und versickerte im Bund seiner Hose.
Schweißtröpfchen bildeten sich auf Maries Stirn. Sie wollte ihn in diesem Moment so sehr, dass ihr vor Verlangen schwindelte.
»Denkst du manchmal daran, wie es war ... mit uns in Versailles?«, fragte sie mit belegter Stimme. »Ich träume davon. Fast jede Nacht. Und dann komme ich, ohne dass ich mich berühren muss. Mein Körper glüht und meine Haut ist feucht. Überall.« Sie ging auf ihn zu und blieb so knapp vor ihm stehen, dass sie seinen Puls in der Halsgrube sehen konnte.
Er blickte sie an. »Ja, ich denke oft an Versailles«, entgegnete er langsam, »daran, wie du mich hereingelegt und zugelassen hast, dass ich vergewaltigt wurde.«
Maries Verlangen fiel in sich zusammen. »Du wirst mir das nie verzeihen, egal, was ich sage oder tue?«
»Tut es dir leid?«
»Tut es dir leid, mich ohne mein Wissen und meine Einwilligung genommen zu haben? Einmal abgesehen davon, dass du dadurch alle Pläne für mein Leben zerstört hast.«
Er zuckte die Schultern. »Das haben wir bis zum Erbrechen diskutiert. Ich bin es müde.«
»Ja, auch ich bin dieser fruchtlosen Debatten müde. Ich habe weiß Gott alles versucht, deine Achtung und deine Zuneigung zu gewinnen. Ich bin dir eine gute Ehefrau, ich habe andere Männer nicht einmal angesehen, ich habe dir ein Heim geschaffen und dich in deinen Geschäften unterstützt. Das alles zählt für dich nicht. Wenn ich dir so zuwider bin, werde ich in Zukunft vermeiden, dir unter die Augen zu kommen.«
Sie drehte sich um und lief zurück zum Haus. Aber ihre Tränen hörten nicht auf zu fließen, nicht einmal, als sie in der Holzwanne mit dem warmen Wasser lag. Alles schien so sinnlos. Alle ihre Bemühungen glitten an Tris ab. Er blieb in der Vergangenheit verhaftet, blind und taub für die Gegenwart. Und sie wusste nicht mehr, was sie tun sollte, um seine Haltung zu ändern.
Tris mangelte es den restlichen Abend an Konzentration. Er bekam das Bild, das Marie heraufbeschworen hatte, nicht aus seinem Sinn. Er sah sie vor sich, wie sie sich stöhnend in ihrem Bett wand, wie das Haar auf ihrer feuchten Haut klebte, und wie sich ihre Schenkel aneinander rieben, auf der Suche nach Erlösung.
Schon die gemeinsamen Abende bei den Nachbarn zerrten an seiner Beherrschung. Nicht nur ihre Schönheit, auch ihr Geschick, mit Menschen umzugehen, imponierte ihm. Sie war in der Tat eine gute Ehefrau. Vermutlich eine bessere als jene Dämchen, die er in Versailles in Augenschein genommen hatte. Und sie beachtete in der Tat die anderen Männer nicht. Stattdessen wendete sie alle Energie auf, ihn zu verführen. Wenn er doch sicher sein könnte, dass sie es nicht deshalb tat, um auch den letzten Triumph über ihn zu haben. Wenn sie es nicht deshalb tat, weil nicht nur La Mimosa alles war, was ihr geblieben war. Sondern auch er selbst.
Der nächste Morgen begann mit noch größerer Hitze als die vorhergehenden. Tris sah Marie mit den anderen auf den Wagen, die zum Osthang fuhren. Er selbst ritt mit einer zweiten Gruppe zum Südhang. Die Lese ging gut voran, und er war froh, dass ihn die körperliche Anstrengung von anderen Gedanken ablenkte.
Am frühen Nachmittag zogen von den Pyrenäen dunkle Wolken heran, und innerhalb von Minuten öffnete der Himmel alle Schleusen. Blitze zuckten über den plötzlich nachtschwarzen Himmel, gefolgt vom dumpfen Grollen des Donners. Die Arbeiter kehrten eilig zurück nach La Mimosa, obwohl die Pferde mehrmals nervös scheuten und selbst Tris Mühe hatte, seinen Hengst unter Kontrolle zu halten.
Auf halbem Weg begegneten ihnen die Wagen, die vom Osthang kamen. Aus einem unerklärlichen Gefühl heraus ritt er den Tross entlang und hielt nach Marie Ausschau. Doch er konnte sie nirgends entdecken. Auf seine Fragen erntete er nur Kopfschütteln.
Seine düstere Vorahnung verstärkte sich. Also wendete er und ritt zum Osthang zurück. Mittlerweile war es so dunkel und der Regen fiel so dicht, dass man kaum die Hand vor Augen sah. Der Sturm peitschte die Tropfen, die immer kälter wurden, wütend vor sich her.
»Marie.« Der Donner erstickte seine Stimme, egal, wie oft er den Namen durch das Unwetter brüllte. Mit an den Hals des Pferdes geschmiegtem Kopf jagte er durch die Reihen der Weinstöcke. Die ausgedörrte Erde konnte die Unmassen an Wasser nicht
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