Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise
Saint-Croix, ein Neffe des Königs. Er hat mich von Versailles hierher begleitet, da er der Ansicht ist, außerhalb der Hauptstadt sei ein standesgemäßes Leben nicht möglich. Daher musste ich ihn natürlich vom Gegenteil überzeugen. Wir sehen uns beim Dîné.« Er nickte Troy zu, ohne direkt das Wort an ihn zu richten, und tauchte in der Menschenmenge unter.
»Schätze, bis zum Servieren des Abendbrots wird noch einige Zeit vergehen. Ich habe Justin und Clement vorhin durch den Park schlendern gesehen, vielleicht finde ich die beiden.« Mit diesen Worten ließ Troy seinen Bruder und Marie stehen und machte sich auf den Weg nach draußen.
Marie nahm den Champagnerkelch, den ihr Tris hinhielt, und blickte sich um. Im Saal befanden sich an die hundert Gäste, in den Gärten spazierte mindestens die gleiche Anzahl herum, wie man durch die hohen geöffneten Flügeltüren sehen konnte. Ein Kammerorchester hatte in einer Ecke Platz genommen und stimmte die Instrumente. An der Tafel liefen Lakaien entlang, die den Blumenarrangements und Kandelabern den letzten Schliff gaben.
»Tris.«
Eine aufgeregte Stimme brachte Marie dazu, sich umzudrehen.
»Tris.« Der Comte du Plessis-Fertoc schlitterte wie ein kleiner Junge über das spiegelglatt gebohnerte Parkett und ruderte dabei wild mit den Armen. Er schaffte es, ungefähr auf Tris' Höhe anzuhalten, und strahlte ihn an, ehe er sich in seine Arme warf. Die Umstehenden sahen je nach Charakter diskret hin oder diskret weg.
Tris' Gesicht wurde an die breite Brust gepresst und sein Rücken liebevoll getätschelt. Mit einiger Mühe machte er sich frei. »Jacques, wie geht es dir?«
»Gut, gut. Danke. Diabolo wächst und wächst. Bald ist er kein kleines Pferdchen mehr. Ghislaine sagt, nächstes Jahr darf ich ihn reiten. Jetzt ist er noch zu schwach. Ich habe ihm ein rotes Zaumzeug anfertigen lassen, mit Messingknöpfen. Damit führe ich ihn herum, sooft ich Zeit habe. Er mag das. Warum kommst du nicht mehr zu uns, Tris? Es ist so langweilig, immer nur mit Ghislaine Karten zu spielen.«
»Ich hatte viel zu tun, Jacques. Du weißt doch, der Wein muss jetzt im Herbst gekeltert werden. Im Winter habe ich wieder mehr Zeit, da komme ich euch besuchen. Oder ihr kommt zu uns. Oder wir treffen uns bei Henri, jetzt, da er aus Versailles zurück ist.«
Der Comte senkte zerknirscht den Kopf. »Henri mag mich nicht. Dabei habe ich ihm schon so oft gesagt, dass ich die Vase nicht absichtlich zerbrochen habe. Ich bin nur gestolpert und darum ...«, er brach ab.
»Ich bin sicher, Henri hat das längst vergessen. Mach dir keine Gedanken«, versuchte Tris ihn zu beschwichtigen.
»Vielleicht hast du Recht. Henri hat ja so viele Vasen. Da kommt es auf eine mehr oder weniger nicht an.« Wieder lag das strahlende Lächeln auf seinem Gesicht, das keinerlei Spott oder Argwohn kannte. Er blickte Marie an. »Oh, diese Halskette ist wunderschön. Und das Krönchen erst. Du siehst aus wie eine Fee aus den Märchen, die Ghislaine mir immer vorliest.«
Marie versuchte ihr Unbehagen abzustreifen und erwiderte freundlich: »Danke, so etwas Schönes hat noch niemand zu mir gesagt, Jacques.« Sie bemerkte, dass ein Mann, der an Größe dem Comte nichts nachstand, jedoch einen grimmigen Gesichtsausdruck zur Schau trug, Jacques unauffällig im Auge behielt.
»Ghislaine hat heute auch glitzernde Ketten um. Sie sagt, wenn wir zu Henri gehen, muss das so sein. Und ich soll leise sprechen. Aber ich spreche doch immer leise.«
»Sie will dich nur erinnern, damit du es nicht vergisst«, warf Tris ein.
»Wenn ich beim Essen kein Glas umstoße und zu allen nett bin, geht Ghislaine morgen mit mir in die Menagerie. Ich bin doch nett, Tris?«
»Natürlich bist du das.«
Marie sah Ghislaine heraneilen. Sie trug ein Kleid aus Gold- und Bronzetönen, das zu ihrem Haar und den braunen Augen passte. Als sie durch einen einfallenden Sonnenstrahl hastete, wirkte sie für den Bruchteil einer Sekunde wie aus flüssigem Bernstein gegossen.
»Jacques«, rief sie erleichtert aus, als sie ihn entdeckte. »Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du nicht einfach weglaufen darfst, wenn ich mich mit anderen Leuten unterhalte.«
Er zog einen Schmollmund. »Aber das ist so langweilig. Außerdem ist Richard da.« Mit ausgestrecktem Arm zeigte er auf den riesigen Mann. »Er ist immer da. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
Ghislaine seufzte und straffte die Schultern. »Schön, dich wiederzusehen, Tris. Madame de Rossac,
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