Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise
Herzen entgegen. Ihre Gewänder waren ebenso zerknittert wie ihre Mienen.
»Wo ist Tris?«, fragte sie heiser.
Troy hob in einer hilflosen Geste die Arme. Sein Gesicht war grau. »Marie ...«
»Ich habe den Schergen mehr Geld angeboten, als sie in ihrem Leben gesehen haben und je sehen werden, doch sie waren nicht davon abzubringen, Anklage zu erheben«, unterbrach ihn der Herzog.
»Aber er hat es nicht getan, das alles ist ein furchtbarer Irrtum«, schrie Marie verzweifelt.
»Natürlich hat er es nicht getan«, fauchte der Herzog. »Vermutlich hat jeder, der mehr als zehn Worte mit Saint-Croix gewechselt hat, einen guten Grund, ihn zu ermorden. Darum geht es gar nicht. Sie wollen ein Exempel statuieren. Das ist alles.«
»Ein Exempel?«, wiederholte Marie ratlos.
Troy legte seinen Arm um ihre Schulter. »In den letzten Jahren gab es immer wieder Unruhen in der Gegend, der Groll gegen Paris und den König wächst ständig. Die Anführer wandern für einige Monate hinter Gitter, allerdings nützt das nicht viel. Die Gelegenheit, einen Mörder des königlichen Neffen hängen zu sehen und damit den König zu beruhigen, dass seine Macht auch hier im Süden intakt ist, werden sich die Richter nicht entgehen lassen.«
»Aber er hat es nicht getan. Es gibt keine Beweise. Wie will man ihn da anklagen?« Marie schüttelte den Kopf, als müsste sie sich aus einem Gespinst befreien. Hörten die beiden ihr denn nicht zu?
»Martin Poudrin, der Justizintendant des Languedoc, hat die Auseinandersetzung zwischen Tris und Saint-Croix miterlebt, sein aufbrausendes Temperament ist weithin bekannt, die Pastillendose, die unter dem Toten lag - das reicht, um Anklage zu erheben. Vor allem, da die beiden Begleiter von Saint-Croix damit drohten, die gesamte Rechtskammer von Narbonne auflösen zu lassen.«
»Ich habe zwei Advokaten mit der Verteidigung von Tris beauftragt. Außerdem habe ich die Wärter bestochen, ihm besseres Essen, Kleidung und alles, was er sonst noch haben will, zu beschaffen«, sagte der Herzog. Er wirkte müde und zerschlagen. »Mehr kann ich im Moment nicht für ihn tun.«
»Ich will ihn sehen.« Marie machte sich von Troy los. »Sofort. Ich muss wissen, wie es ihm geht.«
Der Herzog schüttelte den Kopf. »Er darf keinen Besuch empfangen. Wir haben ihn auch nicht gesehen. Marie, seid vernünftig, ich bitte Euch. Im Augenblick ist alles getan, was getan werden konnte. Glaubt mir, Tris' Wohlergehen liegt mir ebenso sehr am Herzen wie Euch.«
»Daran zweifle ich nicht, Euer Gnaden, aber ich fühle mich so hilflos.« Ihre Augen schwammen in Tränen.
»Das tun wir alle, Madame.« Er verbeugte sich. »Ihr entschuldigt mich, ich muss die Gäste verabschieden und mich vorher präsentabel machen.«
Marie nickte und blickte zu Troy. »Kehren wir nach La Mimosa zurück?«
»Ich denke, es wäre am klügsten. Der Herzog hat alle Fäden gezogen, die er ziehen konnte. Wenn sich etwas Neues ergibt, werden wir davon erfahren.«
Marie grub die Fingernägel in ihre Handflächen, um ihre Hilflosigkeit nicht laut herauszuschreien. Tris in einer winzigen, feuchten, schmutzigen Zelle zu wissen, ausgeliefert der Willkür seiner Bewacher, machte sie krank vor Sorge.
Die folgenden Tage erstarrten in bleierner Unbeweglichkeit. Nichts passierte. Weder von Tris persönlich noch den Advokaten und Assessoren oder dem Herzog kam eine Nachricht.
Marie fühlte sich, als liefe sie bei jedem Schritt gegen unsichtbare Mauern. Troy ging ihr aus dem Weg. Er verbrachte die Zeit bei der Lese und beim Keltern. Marie hatte versucht, sich ebenfalls damit abzulenken, aber es funktionierte nicht. Ebenso hatte sie versucht, Tris eine Botschaft zu schicken. Doch auch damit war sie gescheitert. Was sollte sie schreiben? Die bedeutungslosen Lappalien des Alltags? Liebesworte, die vielleicht von betrunkenen Wachen durch die Gefängnisgänge gegrölt wurden?
Zahllose beschriebene Papierbögen endeten zerknüllt auf dem Boden. Die Ohnmacht und das ständige Warten machten sie aggressiv und launisch. Sie merkte es an den Blicken, die Suzanne und Fanette ihr zuwarfen, und sie wusste, dass sie etwas dagegen tun musste, wollte sie nicht verrückt werden. Den Entschluss, den sie schließlich fasste, präsentierte sie Troy beim Abendessen.
»Ich gehe nach Versailles. Ich rede mit dem König. Es wird keine Verhandlung geben, und man wird Tris freilassen.«
Troy ließ die Gabel sinken. »Marie, deine Zuversicht in Ehren, aber warum sollte der König Tris
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