Die Nichte der Marquise - Die Nichte der Marquise
erstaunte, stieß sie seine Hand beiseite und schlüpfte unter seinem Arm durch. Ihre Stimme zitterte kaum merklich, als sie schließlich die Worte fand, um ihn in seine Schranken zu weisen.
»Ich will Euer Verhalten mit dem übermäßigen Genuss des Tafelweins entschuldigen, den mein Bruder auftragen ließ, Comte. Ich bin sicher, dass Ihr morgen Euer Handeln bedauert und Euch dafür entschuldigen werdet. Gehabt Euch wohl.«
Er folgte ihr aufreizend langsam und lächelte noch immer maliziös. »Ich soll mich dafür entschuldigen, dass Ihr mein Herz und meine Lenden entflammt habt? Ach, Ghislaine, das meint Ihr nicht ernst.«
»Ich verbiete Euch, mich bei meinem Vornamen zu nennen. Für Euch bin ich die Comtesse du Plessis- Fertoc.« Sie beschleunigte ihre Schritte, um sich in die Sicherheit des Hauses zu flüchten. »Wenn Ihr Euch entschuldigt, werde ich meinem Bruder nichts von Eurem ungehörigen Betragen erzählen.«
Völlig unerwartet packte er sie am Arm und riss sie zu sich herum. »Und ich werde ihm nichts von Eurem ungehörigen Betragen erzählen.« Er grub Daumen und Zeigefinger in ihre Wange, um zu verhindern, dass sie den Mund schloss, als er sie küsste.
Ghislaine drückte verzweifelt die Hände gegen seine Schultern. Die dicke, schwammige Zunge, die sich ihr aufdrängte, verursachte ihr Brechreiz. Sie versuchte den Kopf wegzudrehen, ihm zu entkommen, doch er hielt sie unbarmherzig fest. Voller Panik spürte sie, dass ihr das Bewusstsein zu schwinden drohte. Sie begann, mit den Beinen um sich zu treten. Sie musste einen empfindlichen Punkt getroffen haben, denn plötzlich ließ er sie los.
Ghislaine verschwendete keine Zeit, sich weiter um ihn zu kümmern, sondern lief wie von tausend Teufeln gehetzt auf das Haus zu. Erst an einer der Türen blickte sie zurück, da sie auf dem Kies keine Schritte ihres Verfolgers gehört hatte. Zu ihrer Erleichterung war sie alleine. Sie lehnte sich gegen die Hauswand und schloss die Augen.
Tränen liefen über ihr Gesicht. Sie fühlte sich so schmutzig. Noch immer spürte sie den schalen Geschmack des Kusses in ihrem Mund. Was hatte sie getan, um den Mann derart zu provozieren? Sah man ihr an, dass ihrem Leben die körperliche Liebe fehlte? Stand es mit glühenden Lettern auf ihrer Stirn geschrieben? Es musste so sein, denn nie zuvor hatte jemand es gewagt, sie so zu behandeln. Als wäre sie eine wohlfeile Kokotte.
Flüchtig tauchte der Gedanke auf, mit Henri zu sprechen, aber sie ertrug das Mitleid nicht, das sie so oft in seinen Augen las. Dieser Preis erschien ihr zu hoch, um die Abreise des Comte von ihm zu verlangen.
Ghislaine atmete tief durch und versuchte sich zu sammeln. Von drinnen hörte sie Musik, das Fest war noch lange nicht zu Ende. Sie würde sich auf ihr Zimmer zurückziehen. Sie wollte niemanden sehen, mit niemandem sprechen. Sie wollte nur mehr schlafen. Und in einer anderen Welt aufwachen.
23
Marie streckte sich gähnend. Ihr Blick fiel auf den in den Baldachin des Bettes eingearbeiteten Spiegel. Die ganze Nacht hindurch war sie davon so fasziniert gewesen, dass Tris schließlich entnervt damit drohte, die Kerzen zu löschen. Was er natürlich nicht getan hatte.
Ihn nicht nur zu spüren, sondern das Spiel seiner Muskeln auf dem Rücken, seinen schmalen Hüften und auf dem festen Hintern zu beobachten, während sie sich liebten, hatte den Reiz in unvorstellbare Höhen getrieben. Sie war gekommen, schnell, heftig und so oft, dass ihre Kehle und ihr Körper sich schließlich wund anfühlten, als sie an Tris geschmiegt eingeschlafen war. Nach dieser Nacht konnte nichts und niemand sie mehr trennen, davon war Marie überzeugt.
Dass sie jetzt alleine in dem mit rotem Satin bezogenen Bett lag, hatte einen guten Grund. Als sie gestern Abend nach dem Feuerwerk durch den Ballsaal gegangen waren, bebend vor Erwartung und Vorfreude, hatte Henri Tris zu der am nächsten Morgen stattfindenden Jagd eingeladen, und um ihn rasch loszuwerden, willigte ihr Mann mit wenigen Worten ein. Offenbar war er der Einladung nachgekommen.
Diese Art der Pflichterfüllung beeindruckte sie umso mehr, da sie wusste, dass er kaum mehr als zwei Stunden Schlaf bekommen haben konnte. Sie betrachtete ihr Spiegelbild und räkelte sich zufrieden, ehe sie die Augen schloss, um noch etwas vor sich hin zu dösen, schließlich zeigte die Standuhr erst zehn vor neun.
Jemand rüttelte unsanft an ihrer Schulter und sie blickte in Fanettes angstvoll aufgerissene Augen. »Ihr müsst
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