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Die Nirgendwojagd

Die Nirgendwojagd

Titel: Die Nirgendwojagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Horn beiseite und strich mit den Fingern über ein zerbrechliches Holz-Schnitzwerk: eine Vogel-Gestalt. „Wenn ein Grünie die Schlüssel finden und mitnehmen würde, dann wären sie hoffnungslos in dieser Hölle verloren … Sie würden sie niemals zurückbekommen. Also hat er sie nicht draußen versteckt.”
    „Ein Punkt für dich.” Swardheld ließ seinen Kopf an die Wand zurückfallen und saß da und grinste sie an. „Wenn er das nur bedacht hat.”
    „Er hatte Grund genug, vor ihnen auf der Hut zu sein.” Ruhelos schlenderte sie weiter und sah nur dann und wann zu ihm zurück.
    Seine Lider waren gesenkt, die Augen zu Schlitzen geworden, sein muskulöser Oberkörper bleich vor dem dunkleren, rostbraunen und grauen Fels, das feuchte Handtuch locker um die Hüften. Er gähnte, kratzte sich am Kinn. „Du könntest helfen”, sagte sie. Und zuckte zusammen, beschämt wegen ihrer mürrischen Reizbarkeit.
    „Ich bin müde.” Er gähnte wieder, öffnete ein Auge. „Setz dich, Lee.”
    „Gleich.” Sie bekam Kopfschmerzen, ging zu der Lampe und löschte sie. Mit großer Behutsamkeit drehte sie die Dochte herunter, bis auch die letzten roten Leuchtpunkte verschwanden. Sie steckte auch den letzten Flammenschutz sorgfältig zurück und löschte die Lampen an der Wand, an der Swardheld lehnte. Als sie fertig war, kam das einzige Licht im Raum von den Doppelreihen heller, grüner Rechtecke, die sich über die Decke zogen: den Öf-fungen der Lüftungsschächte. Mit dem Licht kam der Klang von Stimmen, das leise Säuseln des Windes, der unheimliche Ruf eines Nachtvogels. Aleytys kniete neben Swardhelds Füßen. „Ich habe Angst”, hauchte sie und griff nach seinen Händen.
    Aleytys bewegte sich und seufzte. Behutsam richtete sie sich auf und lauschte Swardhelds gleichmäßigem Atmen. Ihr Kopf lag auf seinem ausgestreckten Arm. Sie schmiegte den Arm sanft über seine Brust, ließ ihre Hand einen winzigen Sekundenbruchteil auf seiner warmen Haut verweilen, noch immer erstaunt über die Gesamtheit ihrer Reaktion auf ihn, tief verwirrt von der Zerschlagung ihres Ichgefühls …
    von der Intensität ihres Verlangens … von ihrem Hunger … von …
    Gott weiß was, das sie gepackt hatte, ohne daß sie es wollte und ohne die Möglichkeit, es zu beherrschen. Mich und ihn, dachte sie. Ihn auch. Er hat es auch gespürt.
    Sie nahm ihre Hand weg, die Knie hochgezogen: eine Art Barriere zwischen ihnen. Seine Augen bewegten sich unter geschlossenen Lidern schnell hin und her. Sein Schnauzer erweiterte die Zuckungen seines mahlenden Mundes. Da war ein Schimmer von Schweiß auf seinem Gesicht. Kein angenehmer Traum, stellte sie fest. O Gott, ich kann das nicht noch einmal durchmachen. Sie saß da und starrte in die Dunkelheit und versuchte, die Komplikationen ihres Lebens auszusortieren. Wir brauchen eine Weile Abstand voneinander … bis wir uns wohlfühlen können … wohlfühlen! Noch ein paar Tage, dachte sie.
    Nur die nächsten paar Tage noch überstehen … Und dann haben die Haestavaada ihre Königin wieder, und ich habe ein Schiff. Hat es je eine Zeit gegeben, in der ich davon überzeugt war, das sei alles, was ich brauche, um mein Leben in den Griff zu bekommen? Ein Schiff.
    Sie blickte auf Swardheld hinunter, der sich noch immer unruhig bewegte, gefangen in einem Traum oder Alptraum - sie konnte nicht sagen, was es war. Am liebsten möchte ich dich jetzt wecken, ich kann Bedürfnisse spüren, erinnere dich … Nein, kann ich nicht… Ich werde mich nicht wieder ergeben, mich erschöpfen, aber, o Gott, der Glanz und der Schrecken davon … Mit einem Stöhnen ließ sie den Kopf auf ihre Arme sinken. Und da ist auch noch Grey. Was werde ich mit Grey machen? Ich kann ihn nicht einfach fallenlassen. Ich möchte ihn nicht fallenlassen. Wir haben einander eine Menge weh getan, auf die eine oder andere Weise … aber da draußen in der Schneewildnis, da drau
    ßen haben wir etwas gefunden … das will ich nicht verlieren. Sie hob den Kopf und schob die Finger durch ihre Haare, beiläufig erfreut über das weiche, reine Gefühl, das sie dabei empfand. Jetzt kann ich versuchen, meine Mutter zu finden, dachte sie. Vorausgesetzt, ihre Anweisungen stimmen noch. Nein — noch nicht, ich kann ihr noch nicht gegenübertreten, nicht, bevor ich nicht alles in Ordnung gebracht habe … Sie kann mir dabei nicht helfen, niemand kann das.
    Aber ich bin zur Halfte eine Vryhh. Ich muß wissen, wie sie sind, meine Vrya-Artgenossen. Nicht nur

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