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Die Nirgendwojagd

Die Nirgendwojagd

Titel: Die Nirgendwojagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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den Dämonen und der Tod der Krieger untergrub das Vertrauen, das die Amar in das Glück der Zwillinge hatten, und so konnten sie viel weniger bewirken.
    Eines Morgens stahl sich Roha früh aus dem Dorf, ängstlich vor den Himmelsdämonen, aber noch ängstlicher vor dem Zorn und der Entmutigung, die sie im Dorf spürte. Sie war der Grenze ihrer Ausdauer nahe. Noch ein Tag der Vorwürfe und der stillen Schande war mehr als sie ertragen konnte. Sie schlängelte sich zwischen den vertrauten Bäumen hindurch, streichelte die Freundlichen, mied die Hungrigen, während ihre Gedanken ununterbrochen immer rundherum um die alten, schmerzenden Themen kreisten, um das Giftei, die Dämonen, das Gift, das die Amar tötete. Sie begann zu laufen, versuchte dem Zorn und der Mutlosigkeit in ihrem Innern zu fliehen, rannte ungestüm, ohne achtzugeben, wohin, mit einem leisen Schluchzen tief in der Kehle; Schweißtropfen perlten über ihr Gesicht.
    Ihre Hand schlug gegen den Stamm eines Baumes. Keuchend, von der Macht ihrer Empfindungen zitternd, die sie durch tobten, schlang sie die Arme darum und sank nieder, bis sie auf der Erde kauerte, der feuchten, kühlen Mutter, deren Kühle in ihren erhitzten Körper kroch und sie besänftigte. Sie preßte ihre Wange gegen die ledrige Rinde und atmete den frischen, würzigen Duft ihres Saftes ein. „Mat-Lizi-ne”, wisperte sie und fühlte ihren Atem heiß auf der Rinde entlangkriechen. „Beruhige mich, Beruhiger.” Sie seufzte und grub eine Kralle in die Rinde neben ihrem Gesicht, schnupperte gierig an den scharf riechenden Tröpfchen, die an ihrer Nase vorbeisprühten. Und sie schloß die Augen und ließ den intensiven Geruch durch sich hindurchströmen und das Gewirr von Empfindungen ausspülen. Nach kurzer Zeit hielt sie ihren Zeigefinger unter die Träne, die ihre Kralle hervorgelockt hatte, und fing die weiße Flüssigkeit auf, als sie heruntersickerte.
    Zuerst war sie kühl, dann erwärmte sie sich und verfestigte sich zu einer harten, um ihren Finger gewickelten Masse. Sie schnüffelte daran und saugte dann an ihrem Knöchel, bis der klebrige Saft verschwunden war.
    Er drang in ihren Blutkreislauf ein, und der aufgeputschte Körper beruhigte sich. Die Dinge, die sie quälten, trieben davon, bis sie weniger wichtig waren als das ferne Lied eines Imbo, das an ihre Ohren drang und dort wie materialisierte Freude bebte. Sie seufzte vor Wonne, rieb ihre Wange an der Rinde.
    Schließlich wurde sie wieder unruhig, konnte nicht mehr stillsitzen. Sie stemmte sich hoch, tätschelte die Rinde mit schwesterlicher Zuneigung und schwebte daraufhin einen schattengesprenkelten Pfad entlang, ohne sich viel darum zu kümmern, wohin sie ging. Hin und wieder tanzte sie mit einem freundlichen Baum, wobei ihre Hände rundherum um den Stamm glitten und ihr Körper sich in den Rhythmen der vom Wind gestreichelten Zweige wiegte.
    Vor sich hin summend, mit der Brise laufend, schlängelte sie sich an den Bäumen vorbei, umrundete das Dorf, umrundete die in den Wald gebrannten Gartenflecken, huschte um die Lichtung der Naf a herum, kehrte am Rand des Nebellandes den Rücken und ging auf dieser Route immer wieder im Kreis, und ihre Füße verursachten in dem weichen Erdreich unter den Bäumen neue Abdrücke auf den alten.
    Als die Wirkung des Saftes nachließ, fühlte sie sich langsam, aber sicher hungrig, doch sie fröstelte bei dem Gedanken, ins Dorf zurückzukehren, und suchte den Wald ab, bis sie einen Flecken mit Zimberbüschen fand. Sie pflückte einige der rotpurpurnen Früchte und senkte die Zähne in das dichtgekörnte Fleisch. Dicker, purpurroter Saft sickerte aus ihren Mundwinkeln. Sie wischte ihn mit dem Handrükken weg und fuhr fort, das widerspenstige Fleisch von seinem Kern zu reißen.
    Sie warf die Überreste weg, rieb voller Widerwillen an den Saftflecken auf Händen und Körper, dann trottete sie den Berghang hinauf zum Teich am Fuße des Wasserfalls.
    Wachsam huschte sie durch Unterholz und an Bäumen vorbei, gpähte auf den Teich hinaus und ließ ihren Blick über den Berghang gleiten, bis sie sicher war, daß keine Teufel im Hinterhalt lauerten. Sie glitt aus ihrem Unterschlupf heraus, band ihren Lendenschurz auf, ließ ihn auf einen Stein fallen, rannte dann zum Bach und sprang in das eisige Wasser hinein. Prustend, herumplanschend, sich wegen des Schocks der Kälte auf ihrer Haut schüttelnd und lachend, spielte sie in dem Teich herum, bis sie schließlich stehenblieb, das Wasser an sich

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