Die Nirgendwojagd
die linke Hand aus, die Innenseite nach oben gewandt. „Sieh mal.”
„Und?”
„Was siehst du?”
„Eine Hand.” Drij neigte den Kopf. „Mit schmutzigen Fingernägeln.”
„Verdammt. Jetzt schon.” Aleytys seufzte. „Nein, Freundin. Siehst du irgendwelche Wunden oder Narben von Wunden?”
„Komm zur Sache.” Drij beugte sich vor. „Die Räder machen genug Lärm. Die Hyänen können dich nicht hören.”
„Bevor wir durch das Tor kommen konnten, haben uns die Eingeborenen angegriffen. Ein Aasfresser wurde getötet, und ich bekam einen Pfeil durch die Hand.” Sie wedelte mit der Hand auf und ab.
„Dieses Gift ist ein Teufelszeug. Tatsache aber ist, ich bin eine Psi-Heilerin. Wenn ich schnell genug bin, kann ich jedes Gift neutralisieren, das sie in mich hineinjagen.”
„Oh.” Dieses Wort klang sorgsam unverbindlich. „Wie nützlich.”
Drij neigte sich zur Seite hinüber, hielt ihr Gleichgewicht und blickte in den Nebel. „Sie sind da draußen, ich weiß es. Es ist nur eine Frage der Zeit…”
Steine flogen aus dem Nebel und regneten um die Männer herum nieder, manche trafen sogar den Transporter, und das mit genügend Wucht, um auch den Frauen gefährlich werden zu können. Drij kauerte sich zusammen, legte die Arme schützend über den Kopf. Mit gedämpfter Stimme rief sie: „Paß auf, daß sie dich nicht treffen!”
Aleytys rührte sich nicht. Sie ließ ein erzürntes Schniefen hören.
„Wenn du mir nur glauben würdest, Völkerkundlerin - du würdest dir eine Menge Aufregung ersparen. Warum benutzen deine Amar nicht ihre Bogen?”
Der Transporter wurde von keinen weiteren Steinen mehr getroffen. Draußen im Nebel sah Aleytys mehrere Aasfresser zu Boden gehen, hörte Schüsse, sah undeutliche Gestalten sich kurz über niedergemachte Eindringlinge beugen, dann im Nebel verblassen. Weitere Schüsse peitschten, und das Poltern und Prasseln von Steinen antwortete, als Aasfresser kleinen, ausweichenden Zielen nachjagten und unter den Steinmessern der Angreifer starben. Quales Brüllen rief die Überlebenden zurück. Er stürmte an den Reihen der Hyänen entlang, verfluchte sie wegen ihrer Dummheit, sich vom Transporter weglocken zu lassen, und brüllte sie an, er würde sie höchstpersönlich abknallen, wenn sie darauf noch einmal hereinfielen. Drij setzte sich auf, beobachtete ihn einen Moment lang und entspannte sich dann, gegen den Stapel Ausrüstungs-Packen gelehnt. „Sieht so aus, als würden sie ihre Bogen gar nicht brauchen, nicht wahr? Ich glaube, sie wollen in der Ungewißheit dieses Nebels bloß keine Pfeile verschwenden. Erfordert eine Menge Mühe, die Steinspitzen abzuspalten und das Gift zuzubereiten. Warum Arbeit verschwenden, wenn all diese Gratis-Munition zur Verfügung steht?” Sie zeigte auf die steinige Oberfläche des flacher werdenden Hanges und lächelte dann Aleytys an. „Diese Welt ist voller Illusionen, Lee. Ich habe gelernt, nur sehr wenig von dem zu trauen, was ich sehe. Oder höre.”
Der Transporter ratterte tiefer und tiefer, und die Aasfresser liefen dicht daneben her und schossen gelegentlich auf Zusammenballungen im Nebel, die Eingeborene sein konnten oder auch nur Schatten größerer Sträucher. Die letzte halbe Meile des Abhangs war nur mehr so sanft geneigt, daß man sie für eben hätte halten können, wäre da nicht die Geschwindigkeit des Transporters gewesen, der nach wie vor das bremsende Gewicht der Aasfresser am hinteren Ende benötigte.
Die Eingeborenen, die den Wagen zogen, stolperten voran, bewegten sich mit gesenktem Kopf und trüben Augen - offensichtlich gründlich eingeschüchert. Aleytys beobachtete sie, während sie sich einer Gruppe hoher, dünner Bäume näherten, deren spärlich belaubte Kronen sich im Nebel verloren. Irgend etwas stimmte nicht. Die Gefühle, die sie von den Gefangenen empfing, paßten nicht zu ihrem Verhalten. Sie beugte sich vor und stieß Drij an. „Sie haben etwas vor”, murmelte sie und deutete mit dem Kopf zu den Gefangenen hin.
Drij betrachtete die Amar für einen kurzen Moment. „Sie kennen diese Gegend.” Sie wischte sich den Schweiß ab, der in jeder Falte ihres Gesichts herunterrollte. Feuchtigkeitstropfen klebten am Stoff ihres Hemdes und ihrer Hose, am Leder ihrer Stiefel. Die Hitze hier unten auf dem Boden der Senke war klaustrophobisch! Es gab keinen Wind, nicht einmal einen Fahrtwind, da sie sich zu langsam bewegten, um einen Lufthauch aufzurühren. Der Nebel hing dicht um sie herum,
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