Die Nirgendwojagd
Kleidung, ging zu der stillen Frau hinüber, hockte sich neben sie und zog den Deckelverschluß auf. Sie tippte Drijs Arm an, wartete, bis sie aufsah, und hielt ihr die Dose hin. „Du mußt essen.”
Drij stieß ihre Hand beiseite und verzog das Gesicht, als würde sie der Essensgeruch anekeln.
„Was bist du eigentlich?”
„Nicht wer?”
Drij sagte nichts.
Aleytys seufzte, zog den Löffel von der Seite ab und begann in dem heißen Eintopf zu rühren. Der erste Bissen erinnerte sie daran, daß sie schon sehr lange nichts mehr gegessen hatte. Sie löffelte die Dose leer, überlegte, ob sie noch hungrig genug war, eine weitere zu essen, und sprang dann auf. Nachdem sie in den Kartons herumhantiert hatte, öffnete sie eine neue Dose und kam mit einem folienumhüllten Eßriegel in der Hand zu Drij zurück. „Iß das. Und das ist keine Bitte, meine Freundin. Iß, oder ich füttere dich damit.”
Drij nahm den Riegel mit zitternden Fingern. Ohne Aleytys anzusehen, brach sie ein Stück des Konzentrats ab, zögerte und hob es schließlich an den Mund.
Swardheld kam aus dem Nebel und machte dabei seinen Gürtel wieder zu. Er hob eine Hand zur Begrüßung, marschierte zum Vorderteil des Transporters und kehrte mit einem offenen Behälter mit Aufreißkonserven unter dem Arm zurück. „Schon gegessen?”
„Ein bißchen.” Sie streckte die Hand aus. „Trotzdem noch hungrig
… das war vielleicht eine ereignisreiche Nacht.”
„Das kannst du wohl sagen.” Er lachte. „Ich war dabei, weißt du noch?”
Sie nahm die Dose von ihm, öffnete sie und kauerte sich in einer halb knienden Stellung nieder. Sobald er sich neben sie gesetzt hatte, hörte sie auf zu essen und betrachtete forschend sein Gesicht und seine Hände. „Wie fühlst du dich?”
„Mit der Zeit passe ich mich besser ein. Hast du schon gemerkt, daß ich nicht beiße?”
Ihre Finger verengten sich um die Dose herum. „Du weißt zuviel über mich.” Sie starrte die Vaada an. Sie schlossen die geleerten Nahrungshülsen in größere Behälter ein. Drei Vaada kamen schwerfällig hoch, streiften über die Lichtung, ignorierten die Leichen, sammelten die anderen Überreste des Kampfes jedoch ein. „Es bereitet mir Magendrücken”, sagte sie, „sooft ich darüber nachdenke.” Sie löffelte noch mehr von dem Eintopf, saß einen Moment lang schweigend da, kaute und warf ihm dann einen scheuen Blick zu. Sein Gesicht war abweisend. „Harskari und Shadith wollen auch hinaus”, erklärte sie.
„Das überrascht mich nicht.” Zögernd streckte er seine Hand aus, hielt sie ihr hin und lächelte, als Aleytys sie ergriff. „Lee, freu dich für uns.” Dann lachte er. „Und denk daran, was für schöne Zeiten wir vier haben werden.”
Der Tag war ein einziger Kampf, ermüdend und erschöpfend: Die unerschütterlichen Vaada zogen und schoben den Transporter an stinkenden Pfützen aus schwefligem, kochendem Wasser vorbei, über geschichtete Rinnen verhärteter Lava, über aufgebrochene Lavablasen mit messerscharfen Kanten und wichen den unschuldig aussehenden, jedoch tödlichen Büschen vorsichtig in weitem Bogen aus. Die beiden Eingeborenengruppen blieben weit entfernt, außerhalb der Reichweite von Aleytys’ Geistfühler - wie auch die Schwebenden Geister, zweimal verbrannt und doppelt auf der Hut. Swardheld und Aleytys streiften voraus und nutzten ihre Erfahrungen, die sie während des Gemetzels auf dem Treck in die Tiefen des Nebellandes hinein gesammelt hatten, um den Transporter unbeschadet durch sämtliche Gefahren zu manövrieren. Ohne den Reiz eines jederzeit möglichen Angriffs wurde der Treck - dieser Treck, den sie alle mitmachten - durch die dampfenden, klaustrophobischen Nebel, durch diesen Raum, dessen Wände sich mit ihnen bewegten und in dem man überhaupt nur mit schleppender Mühe vorankam, ein Raum, aus dem sie nie hervorbrachen. Dieser Treck wurde ein Marsch ins Nichts, ein Marsch ohne Ende durch einen Ort, der sich niemals veränderte, als schritten sie in einer Tretmühle dahin. Der Einbruch der Dunkelheit ließ sie anhalten, und die Nebelwände schlossen sich so fest um sie herum, daß sie sich nicht mehr in einem gemeinsamen Raum bewegten, sondern in ihren individuellen Kokons.
Der nächste Tag war eine Fortsetzung ohne Veränderung oder Hoffnung auf Veränderung. Drij trottete hinter dem Transporter her, den Kopf gesenkt, mehr deshalb folgend, weil es nichts anderes zu tun gab, als deshalb weil es sie interessierte, wohin sie
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