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Die Nirgendwojagd

Die Nirgendwojagd

Titel: Die Nirgendwojagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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einer verhaltenen Leidenschaft, die die Worte in Aleytys Verstand hineinbrannte. „Ich möchte hier herauskommen. Ja, ich will einen Körper haben.” Sie starrte ins Nichts, und ihre Augen weiteten sich, waren plötzlich von Tränen verschleiert. „Ich will einen Körper haben.”
    Aleytys saß mit gekreuzten Beinen unter dem Transporter und fühlte sich allein und verwirrt; die so unversehens in diesem normalerweise beherrschten und kühlen Wesen sichtbare Pein war wie Säure auf ihrer Haut, und der Schmerz übertrug sich auf sie und mischte sich mit Angst. „Aber du wirst sterben. Wenn dieser Körper stirbt, dann stirbst auch du.”
    „Ich bin müde.” Harskari seufzte. „Ich bin … zu alt.”
    „Aber…”
    „Lee, mein Volk glaubte daran, daß das, was von ihm Seele genannt wurde - was immer das ist, vielleicht diese Ansammlung von Kräften, die mein gegenwärtiges Dasein ausmacht - , daß diese Seele weiterbesteht und wiedergeboren wird und niemals ganz aufhört zu existieren, daß sie im Lauf der Zeiten und mit den wechselnden Körpern an Weisheit zunimmt und am Ende zu etwas wird, das über das Verstehen eines Menschen hinausgeht, ein Teil der Ganzheit aller Dinge, in sich diese Gesamtheit einschließend, so wie sie zugleich auch in ihr eingeschlossen ist. Ich weiß nicht. Ich existiere auf diese Art und Weise. Vielleicht ist der wahre Tod genau das - ein Aufhören der Existenz. Therrol hat mir meine Chance vorenthalten, diese Wahrhiet zu entdecken … damals, als er das Diadem hergestellt und mich verurteilt hat … verurteilt zu unzähligen Zeitaltern der …” Sie lachte.
    „Der Langeweile, Lee.” Ihr breites Lächeln strahlte Zuneigung und Humor aus. „Auch wenn du gewiß Leben in mein Dasein gebracht hast.”
    Shadith, deren Purpuraugen vor Erregung funkelten, war plötzlich bei ihnen. Sie lachte, und dieser Klang erfüllte Aleytys’ Kopf, reizte sie ihrerseits zum Lachen. Sie saß im nebligen Morgenlicht unter dem Transporter der Königin, umgeben von Toten, und schüttelte sich vor Lachen.
    Die Dichtersängerin hob die Verkörperung ihrer Harfe und spielte ein unhörbare Musik. „Ich grüße die Gesellschaft der Ghouls”, sang sie. „Neu ins Leben gerufen, beobachten sie mit neuer Gier jene, die sich frei bewegen …”
    Aleytys wischte sich über die Augen, vom Lachen geschwächt, gründlich entspannt und plötzlich zufrieden. „Nur die besten Körper”, murmelte sie.
    Harskari lächelte, schüttelte dann den Kopf. „Nur die Ruhe, Freundin. Wir dürfen nicht einmal daran denken, die Lebenden zu verdrängen. Das ist eine Sache. Die andere ist … wir sollten erst einmal abwarten, wie es Swardheld ergeht. Ich habe nämlich überhaupt kein Verlangen danach, meine Lebensenergie zu verschwenden.”
    Shadith, deren rotgoldene Locken heftig auf und ab wippten, als sie nickte, sagte: „Ich habe jedenfalls vor, meinen neuen Körper so gründlich und so lange wie möglich zu genießen, bevor ich versuche, mit dem Unendlichen zu verschmelzen.” Sie wandte sich Harskari zu und kicherte.
    Aleytys legte sich wieder zurück, die Blicke auf die Unterseite des Transporter-Chassis geheftet. „Wißt ihr, es gibt da etwas, das ich nicht verstehe. Wenn es so leicht ist, in einen anderen Körper überzuwechseln, warum habt ihr es dann nicht schon früher getan?”
    „Leicht!” Shadith verzog das Gesicht. „Du hast ja keine Ahnung, wie knapp es Swardheld nur geschafft hat, Lee … Ohne dich hätte er den Körper nicht übernehmen und nicht halten können, er hatte einfach nicht die Kraft dazu. Er brauchte die Unterstützung durch die Kraft, die du kontrollierst, Lee. Nicht daß wir das vorher gewußt hätten.” Sie schüttelte den Kopf, und ihre violetten Augen glänzten vor Vergnügen. „Du wirst verstehen, daß das keine Sache war, mit der wir einfach herumexperimentieren konnten. Zu endgültig, wenn etwas schiefgegangen wäre … Nun, verdammt, Lee, bring diese Jagd zu Ende. Ich möchte endlich damit anfangen, Leichenschauhäuser zu besuchen.”
    „Schon gut.” Aleytys setzte sich auf. „Schon gut. Geh weg, damit ich nachdenken kann.” Sie kroch unter dem Transporter hervor.
    Swardheld war nirgends zu sehen. Die Valaada und Vaada aßen aus den Proviantbehältern, und Drij saß allein am Heck des Transporters, die Knie hochgezogen, den Kopf auf die Arme gelegt. Eine ungeöffnete Konservendose stand neben ihrem linken Fuß.
    Aleytys wischte Sandkrumen, Blätter und kleine Steinchen von ihrer

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