Die Noete des wahren Polizisten
Bergson, den sie in Paris kennengelernt haben, und beide, Clouzet und D’Arsonval, lachen. Pape, Satan, pape, Satan aleppe , flüstert der Geistliche. Bald wechselt das Thema zu Pérols bevorstehender Reise. Chaumont fragt nach seiner Frau Mutter. Eustache Pérol gesteht, dass sie tief betrübt sei. Clouzet verliert ein paar Worte über Mutterliebe. D’Arsonval lacht in einer Ecke der Bibliothek. Sie köpfen eine weitere Flasche Cognac. Der einzige, der sich bis jetzt ganz aufs Trinken konzentriert hat, ist Fontaine. Um vier Uhr morgens, als alle betrunken sind (Vater Chaumont döst in einem Sessel und die anderen laufen hemdsärmelig in der Bibliothek herum), schickt er sich an zu sprechen. Er erinnert an seine Mutter. Er gedenkt seiner Abreise und der Tränen seiner Mutter, als sie am Vorabend seinen Koffer packt. Er spricht von der Freude des Arbeitens. Von den erhabenen Visionen. Von der Monotonie des Lebens. Davon, dass er sein Geheimnis nicht zu lüften vermag. Die Tage von Paris, sagt er, ohne sich von seinem Sitz zu erheben, den Blick zu Boden gerichtet, sind geschwinde Tage. Aber geschwind wie was? Wie der Wind? Wie das Vergessen? Er spricht von Frauen und Dämmerungen, infamen Sonnenaufgängen und dämonischen, ausdruckslosen Gesichtern. Eine Miene, ein achtlos dahingesagtes Wort, schon bist du geliefert, mit unvorhersehbaren Folgen, sagt er mit sanfter Stimme. Er spricht vom Tod seiner Mutter, von Malern und Bars. Er spricht von den Rosenkreuzern und vom Universum. Irgendwann hatte er, von Schulden erdrückt, eine Arbeit in den Kolonien angenommen. Damals malte er schon nicht mehr, hatte sich sozusagen aufgegeben, und erlebte in der neuen Tätigkeit einen rasanten Aufstieg. Der erste, den das überrascht, ist er selbst. Schon nach wenigen Jahren bekleidete er einen verantwortlichen Posten, der ständiges Reisen erforderte. Ja, er lernte große Teile Afrikas kennen und war bis nach Indien gekommen. Erstaunliche Länder, sagt er angesichts der erwartungsvollen Mienen von D’Arsonval und Clouzet und des skeptischen Blicks von Eustache Pérol. Einmal, sagt er, sah ich mich wegen einer Reihe dummer Fehler gezwungen, einen Monat an einem Außenposten auf Madagaskar zu verbringen. Es sind die ersten Tage des Jahres 1900. Das Leben auf der Plantage und im Dorf ist sterbenslangweilig. Schon nach drei Tagen hat er seine Arbeit erledigt, und die Zeit verstreicht mit tödlicher Langsamkeit. Anfangs unterhält er sich damit, dass er Baumaßnahmen vorschlägt, die die Lebensbedingungen der Schwarzen verbessern, aber vor ihrer Apathie kapituliert sein Elan. Es herrscht allgemeines Desinteresse. Niemand will über die Arbeit auf der Plantage hinaus etwas tun. Die Trägheit der Eingeborenen reizt Fontaines Neugier, und er beschließt, sie zu malen. Anfangs ist alles aufregend: Mit Materialien, die er aus der Natur gewinnt, stellt er Farben und Pinsel her. Leinwand besorgt ihm ein Angestellter der Handelsgesellschaft: ein altes Betttuch und Stücke von Sackleinen und Jute. Er beginnt zu malen; nichts, versichert er, verbindet ihn mehr mit der symbolistischen Schule, den Visionären und den erbärmlichen »Verborgenen«. Jetzt ist es sein vermeintlich nacktes Auge, das ihm die Hand führt. Heilige Funktionärsunschuld, sagt er. Plötzlich entgleitet die Malerei seiner Kontrolle. Er beginnt auf Sackleinwand und Jute und behält sich das Leintuch für den krönenden Abschluss vor. Eines Nachts, während er das Sackleinen im Licht einer Petroleumlampe betrachtet, wird ihm bewusst, dass er jenes arme Dorf auf Madagaskar in einen riesigen, prächtigen Palast mit unzähligen Fluren, Treppen und Winkeln verwandelt hat. Wie Fontainebleau, sagt er, obwohl er nie dort war. Tags darauf nimmt er das Betttuch unter den Pinsel. Acht Tage braucht er, bis er fertig ist, in denen er ununterbrochen malt, tagsüber im Freien und nachts in dem schäbigen Büro der Firma. Er versagt sich Nahrung und Schlaf. Am neunten Tag packt er seine Sachen und verlässt sein Zimmer nicht. Am zehnten Tag besteigt er das Schiff, das gekommen ist, ihn abzuholen. Ein Jahr später, in einer kleinen und gemütlichen afrikanischen Stadt, beschließt er endlich, sich seine Gemälde noch einmal anzuschauen. Es sind zwanzig kleine Leinwände und eine große, die sie einschließt und die er Die Schwarzen von Fontainebleau nennt. Auf den Bildern hat sich das Dorf tatsächlich in einen Palast verwandelt. Die Verrichtungen der Einheimischen sind zu solchen von
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