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Die Noete des wahren Polizisten

Die Noete des wahren Polizisten

Titel: Die Noete des wahren Polizisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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Verlag wächst stetig, wie nicht anders zu erwarten. Er hat die Veröffentlichung eines jungen Schriftstellers empfohlen, der zum Bestseller der Saison wird. Marchand weiß, dass hinter dem einen, den er hat atmen lassen, fünf andere stehen, die mit ihm (dem besten Marchand, dem unwahrscheinlichsten) die Atemnot, die Dunkelheit labyrinthischer Arbeit ertragen.
    Mit der Zeit bringt einer seiner Schriftsteller sich um. Ein anderer wechselt zum Journalismus. Einer, der Geld hat, schreibt einen zweiten und einen dritten Roman, die nur Marchand lesen und loben wird. Einer veröffentlicht in einem Kleinverlag. Ein anderer wird Handelsvertreter für Enzyklopädien. Zu diesem Zeitpunkt hat Marchand schon jeden Skrupel, jede Scheu verloren: Er hält nicht nur regelmäßig Kontakt mit den Schriftstellern, in etlichen Fällen kennt er auch die Familie (der nette Herr Marchand), ihre Freundinnen und Frauen, ihre freigiebigen Großmütter, ihre besten Freunde. Sein Manuskript verlängert sich imaginär um die Romane, die er in seinem Haus aufbewahrt: Der Protagonist von Der Bibliothekar dringt in die Leben der anderen Figuren, der fremden Figuren ein, im gleichen Maß, wie Marchand sich im Leben der Schriftsteller einnistet. Von den zehn ersten bahnt sich nur einer mit Gewalt einen Weg in die stürmische Verlagswelt (und auch er bleibt ihm tributpflichtig und muss Erzählungen schreiben, die nur er lesen wird, Romane überarbeiten, deren verworfene Fragmente nur er besitzen wird); die anderen wenden sich mit den Jahren anderen Interessen zu, geben auf, stellen sich um, wachsen. Aber der Strom neuer Manuskripte reißt nicht ab: Marchand versieht sich mit zehn neuen Schriftstellern, später mit weiteren zehn, und immer so weiter, bis seine Bibliothek angefüllt ist mit seltsamen, manchmal schlechten, verblüffenden, bezaubernden, manchmal unverständlichen Manuskripten, bei denen er selbst dafür sorgt, dass die Verlage sie ablehnen. Irgendwann liest Marchand nur noch unveröffentlichte Texte: von rund vierzig von ihnen gibt der Roman eine grobe Inhaltsangabe.
    Marchand hat Träume: ein großer Brand in seinem Haus, den Arcimboldi mit der Detailtreue eines Architekten und Feuerwehrmanns beschreibt; die Ankunft eines donnernden Messias, der alle unterschlagenen Manuskripte veröffentlicht und ihn dem Feuer ewiger Verdammnis überantwortet, die größte Angst des Bibliothekars ; das Aufkommen einer neuen Generation blitzschneller Autoren, die er hätscheln und Schritt für Schritt zu seiner Bibliothek der Abgelehnten geleiten wird. Der Roman bricht abrupt ab. Marchand stirbt an einem Herzschlag. Zu seiner Beerdigung kommen außer den Verlagsmitarbeitern viele Exschriftsteller. Ein Umzugswagen befördert seine Manuskriptsammlung in ein Depot. Arcimboldi gibt eine minutiöse Beschreibung des Depots.
     
    Racine (Gallimard 1979, 140 Seiten).
    Eine fragmentarische, in kalte Abschnitte unterteilte Biographie ohne erkennbaren roten Faden, vielleicht eine Sammlung von Prosagedichten, wie ein Kritiker meinte. Szenen aus dem Leben von Racine, die wie verschlossene, stickige Zimmer aufeinander folgen: der Tod der kleinen Jeanne-Thérèse Olivier, trotz der Kälte, der vermeintlichen Objektivität der Prosa, mit spürbarem Schmerz geschildert; der Tod von Jeanne Sconin, der Mutter des Dichters, zwei Jahre nach seiner Geburt; der Tod der Marquise Du Parc, seiner Geliebten, im Erscheinungsjahr von Andromache ; die Arbeit mit Boileau, Boileaus Kopf, sein Profil; die Freundschaft mit Molière und ihre spätere Feindschaft; der Tod von Jean Racine, seinem Vater; die Morgen des Jahres 1644, als der fünfjährige Waisenknabe bei seinen Großeltern lebt; die unvollendeten und verlorenen Tragödien, eine unermessliche Vergeudung von Energie; das Leben in Uzès, die Vögel des Languedoc, sein Onkel Antoine Sconin; die Lüge, die ihn wie eine schmale, verwahrloste Wolke umkreist; die Ehe mit Catherine de Romanet; die Anschuldigung, die Marquise Du Parc vergiftet zu haben, um an ihre Juwelen zu gelangen; das Lateinstudium; die Aufführung von Andromache , gespielt von der Marquise Du Parc; die Zeit der Marquise Du Parc in Molières Kompanie; das Bett der Champmeslé; die Kinder; das Leben in Versailles; die großen Eisblöcke des siebzehnten Jahrhunderts; die Musik von Lully und Port Royale.

5
     
Zwei Romane von Arcimboldi, gelesen in sieben Tagen.
     
    Sam O’Rourkes Suche (Gallimard 1960, 230 Seiten).
    Bei diesem traurigen und weitschweifigen Roman

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