Die Noete des wahren Polizisten
Pasadena, USA. Zehn Briefe pseudowissenschaftlichen Charakters zwischen 1962 und 1966. Einem von ihnen lässt sich entnehmen, dass Arcimboldi versucht hatte, ihn während einer Reise in die USA zu besuchen; am Ende konnten sie aber nur miteinander telefonieren. (Versuchte er Material für das Projekt eines Wissenschaftsromans zu sammeln, wie er nachher in einem anderen Brief erklären sollte?)
Dr. Mario Bianchi , Leiter der Abteilung für plastische Chirurgie am St. Paul’s Hospital in Orlando, USA. Acht Briefe pseudowissenschaftlichen Charakters zwischen 1964 und 1965. Arcimboldi bezeugt Interesse an gesichtschirurgischen Techniken, an Nervendehnungen, an Techniken der Knochenimplantation, an »Fotografien vom Inneren des Gesichts, vom Inneren der Hände«. Und ergänzt: »Natürlich in Farbe«. Doktor Bianchi wiederum erkundigt sich, ob einer seiner Romane in den USA übersetzt wurde und ob man sich nicht bei einem nächsten Paris-Besuch in Begleitung von Frau und Kind persönlich kennenlernen könne.
Jaime Valle , Professor für französische Literatur an der Universidad Autónoma de México. Fünf Briefe zwischen 1969 und 1971, in denen es um den Kauf von Immobilien geht, um Häuser am Meer, Hütten in Oaxaca, Hippies, Peyote, María Sabina. Mexikanische Literatur: Erstaunlicherweise kennt Arcimboldi nur Die Rechtlosen von Mariano Azuela in der Übersetzung von Anne Fontfreda, Paris 1951. Und weniges von Sor Juana Inés de la Cruz. Nicht die mexikanische Literatur interessiert mich, schreibt er, sondern das Leben in Mexiko. Der letzte Brief ist ein langes Plädoyer für B. Traven, den Jaime Valle als kommerzielle und seichte Literatur verachtet.
Renato Leduc , den er über einen gemeinsamen Freund kennenlernt: Roberto Dole, staatenlos, aus Panama gebürtig, schwarz, homosexuell und Pazifist. Zehn Briefe aus den Jahren 1969 bis 1974, Themen: Das Leben in Mexiko, die Wüste, die Tropen, die Gebiete, in denen es mehr, und jene, in denen es weniger regnet. Leducs Antworten sind klar und konzise. Er schickt ihm Fotos und Karten, Prospekte und Zeitungsausschnitte. Er verehrt ihm sogar sein Buch Fabeln und Gedichte , 1966, und Arcimboldi verspricht, es zu übersetzen, obwohl man von dieser Übersetzung nie wieder etwas hörte.
Dr. John W. Clark , plastischer Chirurg, Genf, Schweiz. Zwanzig Briefe zwischen 1972 und 1975. Themen: Transplantationen, Die Insel des Dr. Moreau , die definitive Gesichtsveränderung.
Dr. André Lejeune , Psychoanalytiker und Lacanianer. Achtzehn Briefe zwischen 1963 und 1974. Literarische Themen, die erkennen lassen, dass Doktor Lejeune ein belesener Mann und außerdem ein genauer und scharfzüngiger Kritiker ist. Die letzten Briefe enthalten versteckte Drohungen. Arcimboldi spricht von Morden, von Leuten, die über Morde sprechen, von Blut und Schweigen.
Amelia De León , mexikanische Professorin für französische Literatur, die er während einer kurzen Reise nach Oaxaca im Jahr 1976 kennenlernt. Zehn Briefe, alle mit exotischen Absendern wie Mauretanien oder Senegal, alle von 1977. Arcimboldi spielt in ihnen immer wieder, wenn auch indirekt, auf das Alter an, auf das Glück, neunundzwanzig zu sein und bald dreißig zu werden, wie bei Professorin De León im Jahr 1977 der Fall. Ihre Briefe sind kühl und akademisch: Stendhal, Balzac usw.
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Neigungen und Aneignungen
Das Klavier . Mit fünfundvierzig lernte Arcimboldi Klavier spielen. Seine Lehrer waren Jacques Soler und Marie Djiladi. Er brauchte kein Klavier in seiner Wohnung und hatte auch nie eins. Wenn er jedoch abends ausging und es in einer Bar oder in der Wohnung von Freunden ein Klavier gab, ließ er nicht locker, bis man ihn spielen ließ. Er setzte sich dann davor und ließ seine Finger über die Tasten wandern, und obwohl er sehr schlecht spielte, vergaß er die Welt um sich herum und sang mit brüchiger, kaum hörbarer Stimme amerikanischen Blues, volkstümliche Balladen, Liebeslieder.
Zauberei . Schon als Kind begann er mit Zaubertricks. Seine Methode war anarchisch und planlos. Nie folgte er einer bestimmten Richtung. Mit fünfzig beschloss er, die »Schule des Denkens« zu studieren, die eigentlich »Schule der Verborgenen Worte« heißen müsste und mit der man erraten lernt, welche Gegenstände eine Person aus dem Publikum in der Hosentasche oder Brieftasche trägt. Für diesen Trick braucht man einen Helfer, der mit verschlüsselten Worten nach der Identität der Gegenstände fragt. Glaubt man dem Zauberer
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