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Die Noete des wahren Polizisten

Die Noete des wahren Polizisten

Titel: Die Noete des wahren Polizisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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hatte die Straßenbeleuchtung von dem Kaff schon ganz vergessen.«
    »Welche Straßenbeleuchtung, Chef?«, fragte Gumaro, ohne sich umzudrehen.
    In dieser Nacht schlief Pancho im Haus von Don Gabriel Salazar, einem Unternehmer aus Santa Teresa, in einem Anbau des Wirtschaftsgebäudes, einem Raum mit vier Etagenbetten, in dem es nach Tabak und Schweiß roch. Don Pedro übergab ihn einem US-Amerikaner namens Pat Cochrane, und ging, ohne ein Wort zu sagen. Dieser stellte ihm ein paar Fragen, drückte ihm dann eine Smith & Wesson in die Hand und erklärte ihm, wie man sie benutzte, wie viel sie wog, wie man sie sicherte und entsicherte, wie viele Magazine er immer dabeihaben, wann er sie ziehen und wann er nur damit drohen sollte.
    Diese Nacht, die erste, die Pancho außerhalb von Villaviciosa zubrachte, schlief er mit der Pistole unter dem Kopfkissen einen häufig unterbrochenen Schlaf. Um fünf Uhr früh lernte er den einen seiner beiden Kameraden kennen, der betrunken zum Schlafen hereinkam und ihn eine ganze Weile lang anstarrte und unverständliches Zeug murmelte, während Pancho, im oberen Bett verkrochen, sich schlafend stellte. Später lernte er den anderen kennen, und weder gefiel er ihnen noch gefielen sie ihm.
    Der eine war groß und dick, der andere klein und dick, und ständig suchten die Augen des einen die des anderen, ständig sahen sie einander an, als berieten sie durch Blickkontakt jede neue Situation. Sie waren aus Tijuana und hießen beide Alejandro. Alejandro Pinto und Alejandro López.
    Ihre Arbeit bestand darin, die Frau von Don Gabriel Salazar zu beschützen. Sie waren ihre persönlichen Leibwächter, das heißt, Leibwächter zweiter Klasse. Für den Schutz von Don Gabriel standen schneidigere Männer bereit, Revolverhelden, die kamen und gingen, als wären sie Chefs, besser gekleidete Leute als Pancho und das Duo aus Tijuana. Pancho mochte die Arbeit. Es machte ihm nichts aus, stundenlang auf die Señora zu warten, wenn sie ihre Freundinnen in Santa Teresa besuchte, oder an den weißen Nissan gelehnt herumzustehen, bis sie die Modeboutique wieder verließ, flankiert von seinen beiden Kollegen, die sich bei dieser Gelegenheit, in offenem Gelände, noch mehr als sonst mit Blicken verständigten.
    Von den anderen Leibwächtern, denen des Patrón, hatte er ein ungenaues Bild, sie spielten Karten, tranken Tequila und Wodka, waren still und scharfzüngig, der eine rauchte Marihuana, die Witze waren fast immer wie Kommentare zum Wetter, als sprächen sie über das Buschland, den Regen, die Verwandten, die über die Grenze gingen. Manchmal sprachen sie auch über Krankheiten, über alle Arten von Krankheiten, wofür es keine besseren Gesprächspartner gab als die beiden Dicken aus Tijuana. Sie kannten alles, von den diversen Grippeviren über Mumps im Erwachsenenalter bis hin zu Aids oder Schanker, sprachen von Freunden oder Kollegen, die tot, im Ruhestand oder mit den verschiedensten Übeln geschlagen waren, und der Ton ihrer Stimmen kontrastierte mit ihren Visagen: Die Stimmen waren sanft, weinerlich, zuweilen nur ein Flüstern, wie der Lauf eines Flusses zwischen Sandstein und Wasserpflanzen; ihre Mienen dagegen rundeten sich gütig, sie lächelten mit den Augen, ihre Pupillen glänzten, und sie zwinkerten sich zu.
    Einer der Leibwächter, ein Yaqui-Indianer aus Las Valencias, sagte, mit dem Tod spaße man nicht, erst recht nicht mit dem Tod durch Krankheit, aber niemand beachtete ihn.
    Die Feierabende der Leibwächter zogen sich bis in die frühen Morgenstunden. Manchmal ließ sich Pat Cochrane blicken, der die Nächte im Haupthaus verbrachte, kam in den Anbau des Wirtschaftsgebäudes, fühlte seinen Männern auf den Zahn, machte ihnen, falls nötig, mit ein paar Worten neuen Mut, und wenn er guter Laune war, setzte er sogar Kaffeewasser auf. Frühmorgens sagte fast niemand etwas. Sie hörten Cochrane oder den Vögeln im Garten zu, und später gingen sie in die Küche, wo Don Gabriels alte Köchin ihnen dutzendweise Spiegeleier briet.
    Obwohl Pancho seinen beiden Kameraden misstraute, fand er sich rasch in sein neues Leben. Einer der Revolverhelden erzählte, dass Don Padro Negrete gelegentlich neue Rekruten zu bestimmten Organisationen oder mächtigen Privatpersonen mitzunehmen pflege. Das Essen war gut, und bezahlt wurde jeden Freitag. Cochrane übernahm es, die Arbeiten zu verteilen, das Leben in den Anbauten des Wirtschaftsgebäudes zu regeln, die Wachen und Eskorten einzuteilen und jedes

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