Die Noete des wahren Polizisten
mit Osman Lins befreundet, obwohl sich seine Übersetzungen nie verkauften. Er gab Seminare zur philosophischen Bewegung des Neukantianismus der Marburger oder Logischen Schule: Natorp, Cohen, Cassirer, Lieber, und zur Philosophie von Sir William Hamilton (Glasgow 1788 – Edinburgh 1856). Er wich seiner Frau nicht von der Seite, bis sie um 3:45 morgens starb, während im Nachbarbett eine Brasilianerin mittleren Alters laut von einem Krokodil träumte, einem mechanischen Krokodil, das ein Mädchen über einen Berg aus Asche verfolgte.
Von da an war er seiner Tochter Vater und Mutter, wusste aber nicht, wie das ging, und engagierte schließlich zum ersten Mal in seinem Leben ein Hausmädchen, Rosinha, einundzwanzig, aus dem Norden stammend und Mutter zweier kleiner Geschöpfe, welche sie in ihrem Dorf zurückließ, die für seine Tochter wie eine gute Fee war. Eines Nachts jedoch ging er mit Rosinha ins Bett, und während er mit ihr schlief, glaubte er, den Verstand zu verlieren. Danach geriet er wieder in die altbekannten Schwierigkeiten und musste Brasilien Hals über Kopf verlassen, mit gerade so viel Gepäck, wie sie tragen konnten. Am Flughafen weinten seine Tochter und Rosinha, und sein Freund Luiz Lima fragte, was mit den Frauen los sei, warum sie weinten.
Von da an lebte er mit wenigen Ersparnissen in Paris, klebte zudem nachts Plakate und putzte Büroböden, während seine Tochter in einer Chambre de Bonne in der Avenida Marcel Proust schlief. Aber er gab sich nicht geschlagen und rackerte sich ab, bis er Arbeit in einer Schule fand und später an einer deutschen Universität. In jener Zeit schrieb er einen langen Essay, in dem er nicht die literarischen Trouvaillen von Macedonio Fernández und Felisberto Hernández analysierte, sondern ihre Bedeutung als lateinamerikanische Denker. Und in den ersten Ferien, die er sich erlauben konnte, flog er mit seiner Tochter nach Ägypten, wo sie den Nil entlangfuhren.
Seine Situation verbesserte sich beträchtlich. Den nächsten Urlaub verbrachten sie in Griechenland und in der Türkei. Er schrieb über Rodolfo Wilcock und das Phänomen des Exils in Lateinamerika. Er nahm an einem Kolloquium in den Niederlanden teil und kaufte sich ein Notebook. Schließlich landete er an der Universität von Barcelona, wo er eine Vorlesung über Idiotie und Selbstwahrnehmung hielt, die so großen Anklang fand, dass man seinen Vertrag für das nächste Jahr verlängerte. In jenen Tagen erhielt er einen Brief von seiner mexikanischen Freundin, der Professorin Isabel Aguilar. Sie hatte in D.F. bei ihm studiert und war eine Weile in ihn verliebt gewesen. Jetzt war Isabel Aguilar Professorin am Philosophischen Institut der Universität von Santa Teresa und bot ihm eine Stelle an. Sie sagte, sie sei mit dem Institutsleiter, Horacio Guerra, befreundet, seit einem Monat gäbe es am Institut eine vakante Stelle, und wenn er wolle, könne er sie haben. Amalfitano beriet sich mit seiner Tochter, schrieb dann an Isabel Aguilar, dankte ihr und bat sie, ihm schnellstmöglich den Vertrag zu schicken.
6
Die vier Polizisten in der hintersten Ecke der Bar Las Camelitas , gegenüber dem Kommissariat General Sepúlveda, erhoben sich von ihren Stühlen, als sie sahen, dass Pedro Negrete und Gumaro auf sie zukamen. Die Polizisten steckten in Trainingsanzügen, Pedro Negrete und Gumaro dagegen in Anzug und Krawatte, wobei Anzug und Krawatte von Gumaro billig und verknittert waren, während Pedro teure Sachen trug. Es war elf Uhr Vormittag, und seit zehn Uhr früh saßen die vier Polizisten in der Bar, aßen Schinken-Käse-Sandwiches und tranken Bier. Don Pedro sagte, sie sollten Platz behalten, und bestellte einen Whisky Soda mit Eis. Gumaro setzte sich neben Don Pedro und bestellte nichts. Als die Kellnerin den Whisky brachte, fragte Don Pedro, was seine Jungs schuldig seien. Die Polizisten protestierten, sagten, was fällt Ihnen ein, Don Pedro, wir laden Sie ein, aber Don Pedro sagte zur Kellnerin:
»Genug geredet, Clarita, setz alles auf meine Rechnung.«
Zehn Minuten später bestellte Don Pedro einen weiteren Whisky und ermunterte die Polizisten, das gleiche zu tun. Die Polizisten sagten, ein Bier reiche ihnen völlig, aber diesmal würden sie bezahlen.
»Nichts da«, sagte Don Pedro, »ich bezahle.«
Die Kellnerin brachte noch eine Runde Bier und einen zweiten Whisky für Don Pedro.
»Du trinkst nichts?«, fragte Don Pedro.
»Mein Magen fühlt sich heute nicht gut an«, antwortete Gumaro
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