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Die Noete des wahren Polizisten

Die Noete des wahren Polizisten

Titel: Die Noete des wahren Polizisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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zwei altgedienten Polizisten aus Santa Teresa, begleitet. Sie sollten einen Mexikaner verhaften, der seine Yankee-Partner in San Bernabé, Arizona, kaltgemacht hatte. Den Hinweis hatte der Sheriff von San Bernabé bekommen, der daraufhin Don Pedro Negrete anrief und mit ihm eine Vereinbarung traf. Die Polizisten aus Santa Teresa sollten den Mörder festnehmen und anschließend über die Grenze bringen. Auf der anderen Seite würden die aus San Bernabé auf sie warten und den Gefangenen in Empfang nehmen. Letztere sagten später aus, sie hätten den Mörder gefunden, wie er durch die Wüste irrte und einem Kojoten gleich den Mond anheulte, aber alles auf US-amerikanischer Seite, alles vollkommen legal.
    Guzmán erkrankte, kaum dass sie eintrafen. Er litt unter Schüttelfrost, Fieber und Erbrechen, weshalb sie ihn auf der Rückbank des Wagens zurückließen und in eine Decke wickelten, wo er von maskierten Kriegern phantasierte. Anschließend liefen Gumaro und Romero durchs Dorf, zogen unter Führung einer hinkenden Alten von Haus zu Haus, doch ohne Erfolg. Entweder hatte man den Sheriff von San Bernabé falsch informiert oder der Mörder war längst untergetaucht, denn sie fanden nicht die geringste Spur, die auf seine Anwesenheit hingedeutet hätte.
    Zu den merkwürdigen Dingen, die Gumaro sah, während er von einem Dorfrand zum anderen lief und von vornherein wusste, dass die Suche vergeblich sein würde, gehörten die Augen der Tiere. Es waren erloschene Augen, sagte er zu Pancho. Augen, die anderswo waren. Sich verflüchtigten. Als wären die Esel und Hunde intelligent und ihre Seelen größer als die eines Christenmenschen.
    »Wäre es nach mir gegangen«, sagte Gumaro, »hätte ich die Pistole gezogen und alle Tiere getötet.«
    Vor Einbruch der Dunkelheit fuhren sie davon. Ohne den Mann, den zu suchen sie gekommen waren, und in Santa Teresa reagierte Don Pedro Negrete sehr verärgert, weil sie dem Sheriff von San Bernabé noch einen Gefallen schuldeten.
    Gumaro sprach von weiße-Würmer-Dörfern, von Truthahngeier-Dörfern, von Kojoten-Dörfern, von Singvögel-Dörfern. Und sagte, genau das sei es, was ein wahrer Polizist lernen müsse. Pancho hielt ihn für verrückt. Als der Morgen graute, gingen sie im Almira von Doña Milagros Reina, zu ihrer Zeit eine der besten Prostituierten von Santa Teresa, Pozole essen. Um diese Zeit sprach Gumaro über nichts mehr: weder über Polizisten noch über Dörfer von Vampiren oder weißen Würmern. Er aß sein Pozole, als ginge es ans Sterben, und danach sagte er, er hätte etwas zu erledigen, und mit einem Schlag verschwand er in irgendeiner Straße.
    »Kommen Sie und schlafen Sie sich bei mir Ihren Rausch aus«, bot Pancho ihm oft an, wenn sein bleicher, zitternder Anblick sein Mitleid weckte, »legen Sie sich bei mir aufs Ohr, bis es Ihnen bessergeht.«
    Aber Gumaro ging nie darauf ein, und urplötzlich, noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, verschwand er. Ohne sich zu verabschieden, als gäbe es für ihn um diese Zeit nur Fremde.

14
     
    Der nächste Brief von Padilla wirkte so, als hätte ihn jemand anders geschrieben, jemand, den man gerade operiert hatte und der noch unter den Auswirkungen der Narkose stand. Er schrieb, Ragueneau, ein Junge namens Adriá und er seien in den Vergnügungspark auf dem Tibidabo gegangen, und alles, wirklich alles sei so schön gewesen, dass er mehrere Male, mehrere, trügerische Male, mehrere, hellsichtige Male nicht imstande gewesen sei, die Tränen zurückzuhalten. Ich habe geweint, sagte er, wie einer, der auf die wahre Religion gestoßen ist, der weiß, dass es die wahre ist und sie ihm Erlösung bringen wird, und einfach weitergeht.
    Auf der Achterbahn, sagte er, während die Lichter von Barcelona und die grenzenlose Dunkelheit des Mittelmeers auf- und untergingen, hatte ich eine der glorreichsten Erektionen meines Lebens, es fühlte sich an wie ein Schwanz aus Stahl, von so enormen Ausmaßen, dass mir Hoden und Wirbelsäule weh taten, ich traute mich gar nicht, ihn zu berühren, die Beule in meiner Jeans pochte und pulsierte wie ein tobendes Herz, seine Länge peilte meinen Nabel an (mein Gott, dachte Amalfitano), nur gut, dass es dort passierte, an einem öffentlichen Ort, fügte Padilla hinzu, denn einen Arsch, der das verkraftet hätte, gibt es nicht.
    Dann erzählte er, dass Ragueneau und der Junge, der offenbar sein Neffe war, ihn zur Bäckerei eines alten Kollegen und Kumpels von Ragueneau mitgenommen hätten, eines Mannes

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