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Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott

Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott

Titel: Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
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man herkam. Wortlos ergriff er den Leinenbeutel mit den fünf Papyrusrollen und folgte Shamir zum zentralen Lagerfeuer, wo die meisten männlichen Tajarim versammelt waren. Daneben gab es noch einige weitere, kleinere Feuer, wo vor allem die Frauen und Kinder lagerten.
    »Woraus soll ich lesen?«, fragte Seshmosis in die Runde.
    »Was wollt ihr hören? ›Die Schöpfungsgeschichte^ ›Die Tafel der Väter‹, ›Das Goldene Zeitalters ›Die Große Flut‹ oder ›Die Kleine Karawane‹?«
    »Bloß nicht ›Die Tafel der Väter‹!«, stöhnte Elimas, der Schaf- und Ziegenhirte. »Das ist doch bloß eine endlose Aufzählung von Namen, und dazwischen stehen nur die Worte zeugte und gebar.«
    »Das Goldene Zeitalter«, bat Raffim, schon alleine deswegen, weil das Wort Goß darin vorkam.
    Seshmosis wollte eben nach der entsprechenden Papyrusrolle greifen, da hörte er Mani, den Stoffhändler, sagen: »Noch nie habe ich etwas aus der Rolle ›Die Kleine Karawane‹ gehört.«
    »Das stimmt, ich auch nicht.«
    »Noch nie.«
    »Hat jemals jemand daraus gehört?«, klang es durcheinander.
    »Jetzt, wo ihr es sagt, fällt es mir auch auf. Noch nie hat mir einer erzählt, was in diesem Papyrus steht«, stellte Raffim verwundert fest.
    Seshmosis nickte. Er selbst hatte noch nie in dieser Rolle gelesen, obwohl sie bereits mehr als zehn Jahre in seiner Obhut war. Nach dem Tod seines Vaters waren die Rollen in seine Verantwortung gekommen, so wie dieser sie von seinem Vater erhalten hatte und dieser wiederum von seinem Vater und der von seinem Vater und so weiter, wie es seit Generationen Brauch war.
    Seshmosis erinnerte sich. Als er ein Junge von vielleicht fünfzehn, sechzehn Jahren gewesen war, hatte er zufällig seinem Vater zugesehen, wie dieser »Die Kleine Karawane« entrollt hatte. Diesen Gesichtsausdruck würde Seshmosis nie vergessen. Es war eine Mischung aus Staunen, Verwunderung und Enttäuschung gewesen. Gleich darauf hatte sein Vater den Papyrus wieder zusammengerollt und sichtlich verärgert ins Regal gelegt. Seshmosis hatte sich diese Reaktion seines Vaters nicht erklären können. Vor allem nicht im Zusammenhang mit einer Heiligen Schrift. Nie hatten sie darüber gesprochen, und Seshmosis hatte in den ganzen zehn Jahren der Mut gefehlt, die besagte Rolle zu öffnen.
    Doch jetzt wollte er es wissen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Dies schien der richtige Ort zu sein, und es war bestimmt die richtige Zeit, die Heilige Rolle »Die Kleine Karawane« zu öffnen und den Tajarim vorzulesen.
    Seshmosis griff in den Leinenbeutel und fühlte nach dem Papyrus. Er musste die Rollen nicht sehen, um zu wissen, welche welche war, er konnte es fühlen. Jede der fünf fühlte sich anders an, war unverwechselbar. Es war, als sagten sie: »Ich bin die Tafel der Väter« oder »Ich bin das Goldene Zeitalter«.
    Sie sagten es wirklich, nur auf eine Art und Weise, dass die Information nicht übers Ohr ins Gehirn kam. Aber das wusste Seshmosis nicht.
    Er entnahm »Die Kleine Karawane« dem Leinenbeutel und legte die Rolle auf seine Oberschenkel, ganz so wie die Statue des Imhotep in der kleinen Nische im kleinen Tempel zu Theben.
    Gewohnheitsmäßig überflog er die Schriftzeichen, um sich einen Überblick zu verschaffen und sich zu orientieren. Dann erblasste er.
    Die Tajarim blickten ihn erwartungsvoll an.
    Doch Seshmosis schwieg.
    »Fang an, Seshmosis, wir wollen wissen, was die Heilige Schrift verkündet!«, befahl Raffim ungeduldig.
    »Ja, wir wollen es wissen!«, forderten die anderen im Chor.
    »Wollt ihr es wirklich wissen?«, fragte Seshmosis unsicher.
    »Ja, fang endlich an, alle wollen es wissen!«, antwortete Shamir.
    Seshmosis räusperte sich und begann mit leiser Stimme vorzulesen.
     
    »Es begab sich in jener Zeit in Ägypten, dass das Volk des Herrn in arge Bedrängnis geriet. Es kam ein neuer Pharao mit Namen Ahmose auf in Ägypten, der wusste nichts von den Hyksos und ihren Wohltaten für sein Volk. So knechtete er das Volk der Hyksos und drängte sie in harte Fron und tötete gar viele von ihnen mit eigener Hand. Da begab es sich in einer Stadt namens Theben am Nil, dass sich tapfere Männer zusammenscharten und beschlossen, der Pein ein Ende zu setzen. Sie versammelten sich und gaben sich selbst einen neuen Namen, Tajarim, unter dem sie fortan auf Erden wandeln wollten. Der Herr sandte ein Erdbeben nach Theben, um den Ägyptern und den seinen ein Zeichen zu geben, dass die Zeit des Wandels gekommen sei. Dann brachen

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