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Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott

Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott

Titel: Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
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die Tajarim auf von Theben, um das Land des bösen Pharao für immer zu verlassen. Sie begaben sich nach Gebtu, wo sie lagerten, bevor sie durch die Wüste zum Roten Meer ziehen wollten. Doch da sandte ihnen der Herr ein weiteres Zeichen, auf dass sie nicht diesen Weg nähmen, sondern nach Abydos gingen.«
    Seshmosis blickte auf und in die Runde. Er sah sein Publikum mit vor Staunen offenen Mündern. Nach und nach begriffen sie, was sie gerade gehört hatten.
    Raffim fand, wie so oft, als Erster seine Fassung wieder.
    »Seshmosis, ich warne dich! Mit den Heiligen Schriften treibt man keine Späße!«
    »Es ist kein Spaß, meine Freunde. Es steht genau so geschrieben, wie ich es vorlas.«
    »Wie kann das sein? Die Heiligen Schriften sind mehr als tausend Jahre alt. Wie können sie berichten, was wir gerade erlebt haben?«
    Ein Tumult kam auf. Einer von der leisen Sorte, bei dem keiner weiß, was ihn eigentlich beunruhigt. Es war in erster Linie Unglauben, der die Unruhe auslöste. Die einen glaubten nicht, was sie gehört hatten. Die anderen glaubten, dass der Text nicht aus der Heiligen Schrift, sondern von Seshmosis selbst stamme. Und wieder andere glaubten, dass man nun gar nichts mehr glauben könne.
    Seshmosis begann zu verstehen. Jetzt wusste er, was damals seinem Vater widerfahren war, als er die Rolle »Die Kleine Karawane« geöffnet und betrachtet hatte. Dort stand nämlich – nichts, rein gar nichts. Deshalb das Staunen, die Enttäuschung und die Verärgerung. Seshmosis konnte ihn gut verstehen. Eine Heilige Rolle, die nichts enthielt. Wie konnte sie heilig sein?
    »Seshmosis, was soll der Unsinn?«, riss ihn Raffim aus seinen Gedanken.
    »Es ist kein Unsinn, meine Freunde. Ich kann es euch erklären. Die Heilige Schrift schreibt sich selbst, genau in dem Augenblick, wo die Dinge geschehen«, erklärte er mit ruhiger Stimme und erzählte ihnen die Geschichte von seinem Vater.
    Die Tajarim wollten es nicht glauben. Wie konnte so etwas sein? Ungläubiges Kopfschütteln da und dort, bei manchem aber auch eine Morgendämmerung des Verständnisses im Gesicht.
    »Bei heiligen Dingen ist alles möglich«, sagte schließlich Shamir, der von allen als zutiefst religiös eingeschätzt wurde und daher in solchen Dingen uneingeschränkte Kompetenz besaß. »Seshmosis hat Recht. Warum hat keiner von uns je etwas aus dem Papyrus ›Die Kleine Karawane‹ gehört, obwohl es ihn schon immer gab? Weil dort nichts zu lesen stand, was man uns hätte erzählen können. Doch nun gibt es sie, die Kleine Karawane, und ich sage euch, wir sind die Kleine Karawane, von der die Schrift ab jetzt berichten wird.«
    »Das ist doch alles graue Theologie!«, wehrte Raffim ab. »Wer sagt uns, dass es nicht ein Taschenspielertrick dieses Schreiberlings ist? Er möchte sich doch als unser Anführer aufspielen, und jetzt manipuliert er dafür auch noch die Heiligen Schriften.«
    »Das sind schwere Anschuldigungen, Raffim! Wie willst du das beweisen?«
    Die Kleine Karawane spaltete sich in zwei noch kleinere Karawanen, zumindest was die Meinung über diese Angelegenheit betraf. Die eine Hälfte schloss sich Raffims Zweifeln an, die andere glaubte Shamirs Auslegung der Geschehnisse.
    Doch Raffim bekam immer mehr Oberwasser. Er baute sich neben dem Lagerfeuer auf, damit sein grünlicher Glanz noch besser zur Geltung kam.
    »Freunde«, fing er an. »Ich habe die berechtigte Befürchtung, dass uns ein paar religiöse Fanatiker, die zugleich Angsthasen sind, ins Bockshorn jagen! Überlegt doch, gibt es einen vernünftigen Grund, warum wir hier sind? Warum wir alles mit Verlust verkauft und unsere Heimat verl assen haben? Wir haben uns in Panik versetzen lassen, weil Fanatiker wie Seshmosis und Shamir ein völlig natürliches Ereignis, ein Erdbeben, und einige unbedeutende Zwischenfälle hochgespielt haben. Es gab immer wieder Spannungen zwischen uns und den Ägyptern, das gehört doch inzwischen zur Tradition. Ist so eine Art Folklore geworden«, versuchte er zu scherzen. »Ich bin dafür, dieses ganze unsinnige Unternehmen abzubrechen und uns morgen auf den Weg zurück nach Theben zu machen, wo wir glücklich und zufrieden waren«, sprach es und fuchtelte mit seinem Ankh in der Luft herum. Eigentlich wollte er damit Richtung Theben zeigen, aber da er über einen sehr schlechten Orientierungssinn verfügte, wurde daraus eine Kreiselbewegung, die ganz Ober- und Unterägypten umfasste.
    In diesem Augenblick zuckte ein Blitz aus dem Himmel. Ein ganz

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