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Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott

Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott

Titel: Die Nomadengott-Saga 01 - Der Nomadengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
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rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben. Zähneknirschend, aber mit einer gewissen Erleichterung gab Barsil nach und versprach Zerberuh, dass er mit ihm nie wieder Geschäfte machen würde.
    Das dritte Ereignis war die Überquerung des Nils kurz vor Abydos. Ein nicht unkompliziertes Unterfangen, zweihundert Tajarim mit ihrer Habe und ihren Herden über den Fluss ans westliche Ufer zu bringen. Einen ganzen Tag fuhren die Flöße hin und her, bis alle auf der anderen Seite waren. Zum Glück war niemand ertrunken, nicht einmal der Ziegenbock, der in seiner Geilheit eine läufige Ziege auf dem Floß vor ihm erreichen wollte und deshalb in den Nil gesprungen war. Einige kräftige Tajarim waren nötig, das liebestolle Tier wieder aufs Floß zu hieven.
    Nun lagerten sie also in Abydos, das ein wenig abseits vom großen Fluss am Rande des Fruchtlandes lag.
     

Der Prophet
     

    Seshmosis, der sich eigentlich aus Göttern im Allgemeinen und den ägyptischen im Besonderen wenig machte, haderte mit Imhotep, einem Gott der Schreiber.
    »Warum machst du mich nicht stärker? Warum sind die Schreiber immer die Schwächlinge, die keiner ernst nimmt?«, fragte er im Selbstgespräch, davon ausgehend, dass Imhotep, selbst wenn er ihn hörte, ihm keine Beachtung schenken würde.
    Ein Gott der Schreiber, ein Heilgott, ein Weiser, ein Zauberer, was konnte der in der martialischen und animalischen Götterwelt wohl ausrichten? Immerhin bedeutete sein Name »Der in Frieden kommt«, und das war unter den ägyptischen Göttern eher ein Makel denn eine Tugend.
    Seshmosis erinnerte sich an eine Statue von Imhotep, die er in einem kleinen Tempel in Theben in einer winzigen Seitennische gesehen hatte. Es war die Figur eines schmächtigen Menschen gewesen, der in einer halb aufgerollten Papyrusrolle studierte, die auf seinen Oberschenkeln lag. Die Statue wäre ohne weiteres als Abbild von Seshmosis durchgegangen.
    Das war also der Gott, der in Ägypten für ihn zuständig war, der ihm helfen sollte. Dabei sah er aus, als könnte er selbst jede Menge Hilfe gebrauchen. Vielleicht lag es daran, dass Imhotep als Sohn des Ptah und einer Menschenfrau namens Chreduanch nur ein Halbgott war. Im Innern mochte er göttlich sein, doch sein Äußeres sprach nicht dafür. Zumindest konnte Seshmosis sagen, dass der am wenigsten beeindruckende Gott von Ober- und Unterägypten für ihn zuständig war.
    Der Schreiber suhlte sich in seiner Depression und zerfloss in Selbstmitleid.
     
    Die Tajarim lagerten westlich der Stadt, ziemlich genau in der Mtte zwischen Abydos und Umm el-Qaab, was »Mutter der Krüge« oder auch »Mutter der Scherben« bedeutet.
    Dieser Ort ist etwas ganz Besonderes: Er ist quasi der älteste Ort von ganz Ägypten. Denn hier liegen die Gräber derer, die noch nicht Pharaonen genannt wurden. Die legendären, mythischen Führer der vordynastischen Zeit und die Könige der sagenumwobenen Dynastie Null, deren erster König Skorpion war.
    Es war einer der mystischsten und heiligsten Orte im ganzen Land. Einige sagten sogar, dass dies der Geburtsort der Götter sei, die auf die Welt gekommen waren, lange bevor es Menschen gab.
    Ein rechter Ort, um sich als Mensch winzig vorzukommen, sagte sich Seshmosis, der beschloss, seine ihm angemessene Traurigkeit mit in die Nacht zu nehmen.
    Auch auf andere wirkte sich die Atmosphäre dieses Ortes aus. Alle Tajarim waren in einer besonderen Stimmung die sie sich selbst nicht erklären konnten. Eine große Ernsthaftigkeit ging von ihnen an diesem Abend aus, und alle spürten, dass sie Teil eines großen Ganzen waren. Hier wirkte eine uralte Kraft, die keiner erklären konnte, die aber dennoch spürbar und wirksam war.
    Morphische Resonanzen, Schwingungen über Äonen hinweg, die längst Vergangenem Form und Gestalt verliehen und es gegenwärtig machten.
    Hier konnte es passieren, dass plötzlich der legendäre König Skorpion vor einem stand und ein Gespräch anfing. Oder auf einen losging und zu sich ins längst vergessene Grab holte.
     
    Shamir kam zu Seshmosis’ Zelt. »Entschuldige, Seshmosis, ich möchte dich nicht stören, aber wir haben eine Bitte an dich.«
    Verwirrt blickte Seshmosis auf. Normalerweise bat man ihn nicht, man forderte ihn auf, dieses oder jenes zu tun oder zu lassen.
    »Wir wollen alle am Lagerfeuer zusammensitzen und bitten dich, dass du uns aus den Heiligen Papyri vorliest«, sagte Shamir leise.
    Seshmosis verstand. Es musste an diesem Ort liegen, dass man sich darauf besann, wo

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