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Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Titel: Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
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Horus in deinem Vergessensfluss aufgelöst?«
    »Ich glaube nicht, dass sie sich aufgelöst haben«, wandte Isis ein. »Es könnte doch sein, dass sie einfach vergaßen, Götter zu sein.«
    »Und was geschieht mit Wesen, die weder Götter noch erlöste Verstorbene sind, in Amentet? Sie müssen von hier verschwinden, irgendwohin«, beendete Thot ihren Gedankengang.
    »Und wo denkst du, befinden sie sich jetzt?«, fragte Anubis besorgt.
    »An ihrem Ursprung. In der Menschenwelt.«
     
    *
     
    Nach der Stunde des Dankes blieb Nostr'tut-Amus in Seshmosis' Zimmer zurück. Der kleine, spindeldürre, bucklige Seher hatte sich damals im ägyptischen Chmun der Karawane der Tajarim angeschlossen, weil er endlich einmal eine erfüllte Prophezeiung erleben wollte. Er bezeichnete sich als persönlichen Schüler des Gottes Thot, und niemand wagte diese Aussage anzuzweifeln. Ein Blick in das Gesicht des Sehers strapazierte auch vorurteilsfreie Menschen: Das eine Auge lag wesentlich tiefer als das andere, und die Hakennase hätte einem Falken alle Ehre gemacht. Die Lippen waren aufgeworfen und entblößten gewaltige Schneidezähne. Der Seher trug stets einen schwarzen Kapuzenmantel.
    »Es ist gut, dass du uns begleiten wirst«, sagte Nostr'tut-Amus beiläufig.
    »Ich wusste nicht, dass auch du dich den Aasgeiern anschließen willst«, wunderte sich Seshmosis.
    »Ich sehe die Reise mehr unter kulturellen Aspekten. El Vis wird die Menschen mit seinen Liedern erfreuen, und wir werden fremde Götter, Sitten und Gebräuche kennen lernen.«
    »Mein Bedarf an Fremdheit ist eigentlich für viele Jahre gedeckt«, wehrte Seshmosis ab.
    »In Byblos wirst du das Geheimnis deines neuen Amuletts nie lösen. Bedenke, die Schrift darauf stammt aus Kreta. Nur dort wirst du die Lösung finden«, prophezeite der Seher.
    »Woher weißt du von dem Amulett?«, fragte Seshmosis verwundert.
    »Lässt dich dein Gedächtnis im Stich? Ich bin ein Seher.«
    »Du bist sicher, dass die Reise uns nach Kreta führt?«
    »Ja. Das erste Ziel ist Knossos, wo der berühmte König Minos residiert, und das schon seit Generationen. Dort triffst du sicher Gelehrte, die dir bei den Zeichen auf dem Amulett weiterhelfen können.«
    Die Hoffnung, Antworten auf seine Fragen zu erhalten, schwächte Seshmosis' Widerstand. Langsam fand er sich zähneknirschend mit den Reiseplänen ab, obwohl er genau wusste, was auf ihn zukam:
    Er würde von einer Gefahr in die nächste stolpern, hungrig sein Nachtlager im Nirgendwo aufschlagen und ständig gegen Raffims ›Verbesserungsvorschläge‹ kämpfen.
    Reisen war für ihn noch schlimmer als unerfüllte Sehnsüchte.
     
    *
     
    Raffim bewohnte das ehemalige Verwalterhaus neben Kalalas Palast. Mit ihm unter einem Dach lebten seine ebenso treuen wie kräftigen Diener Jabul, Jebul und Jubul. Dazu die alte, etwas verwirrte Hataha, die für ihn als Köchin arbeitete, und die beiden jungen Frauen Gomer und Rachel als Servicekräfte. Ungefähr die Hälfte des Hauses nutzte er als Lager für seine Handelswaren.
    Raffim beendete soeben sein üppiges Mittagsmahl, als ihm Jubul einen Besucher ankündigte. Der Diener führte den Gast ins Arbeitszimmer seines Herrn und trat diskret zur Seite, blieb aber deutlich sichtbar im Raum stehen.
    »Mein lieber Henoch!«, rief Raffim erstaunt aus, als dieser den Raum betrat. »Ich habe nicht erwartet, dich so schnell wiederzusehen. Eigentlich wähnte ich dich bereits auf einer längeren Reise in den Süden.«
    »Du treibst Scherze mit mir! Du wusstest genau, dass ich noch in Byblos bin, und hast deine Bluthunde auf mich gehetzt!«
    »Meine Bluthunde?« Raffim sah wie zufällig in Richtung Jubul. »Ich besitze keine Bluthunde.«
    »Deine verlausten Laufburschen meine ich nicht. Es geht um die beiden Kreter, die du engagiert hast. Du willst mich umbringen lassen!«, warf ihm Henoch mit bebender Stimme vor.
    In Raffims Gehirn arbeitete es blitzschnell. Henoch glaubte also, die dunklen Männer handelten in seinem Auftrag. Diesen Irrtum gedachte er für sich zu nutzen.
    »Du bist nicht zu unserer Verabredung gekommen. Ich habe dich und mein Eigentum schon schmerzlich vermisst.«
    »Und deshalb willst du mich gleich ermorden lassen?«
    Die Angst stand Henoch deutlich ins Gesicht geschrieben.
    »Sagen wir so, ich verabscheue es, wenn man mich übervorteilt. Wo sind meine Rollen? Und wo ist das Gold für die Kopien?«
    »Ich schlage dir einen Handel vor, Raffim. Du pfeifst deine kretischen Mörder zurück; dann

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