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Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer

Titel: Die Nomadengott-Saga 02 - Die Irrfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
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zukommen zu lassen. Leider gibt es in letzter Zeit mehr und mehr Gesindel, das uns bei diesem Anlass mit Eiern, verfaulten Essensresten und Blumen bewirft.«
    »Was ist an Blumen so schlimm? «, wollte Seshmosis wissen.
    »Damit können wir nichts anfangen. Außer Asterion, der isst sie ganz gern. Aber lasst uns jetzt eilen, damit wir einen guten Platz in Wurfweite bekommen, der nicht von der Gäng bedroht ist.«
    Bald erreichten sie eine Treppe, die hinaufführte in den Bereich des Labyrinths, wo die Mauern zum Himmel aufstiegen. Seshmosis freute sich an dem sonnigen Morgen. Nach einigen Abzweigungen trafen sie Ikaros, Alexandros und Neros, die sich mit Knüppeln bewaffnet hatten, um die ergatterten Gaben gegebenenfalls zu verteidigen. Nicht weit von ihnen saß ein Hocker im Endstadium, das bedeutete, dass er sich überhaupt nicht mehr bewegte und an diesem Platz auf sein Ende wartete. Zumindest war es ein Warten mit der Aussicht, einmal in der Woche von etwas getroffen zu werden, das von der Terrasse geflogen kam.
    Seshmosis indes hoffte, dass seine Freunde vielleicht auf die Idee kämen, sich an dem ungewöhnlichen Ereignis zu beteiligen, und er die Gelegenheit hätte, sie auf sich aufmerksam zu machen.
    Lautes Gejohle kündigte an, dass das Werfen der Gaben unmittelbar bevorstand.
    Seshmosis reckte den Hals, doch er konnte beim besten Willen die Hoffnung verheißende Terrasse nicht sehen, die Mauern waren einfach viel zu hoch. Und dann prasselten die Gaben hernieder. Irgendwie hatte sich Seshmosis die Segnungen, die aus dem Himmel kamen, immer anders vorgestellt. Neben ihm zersplitterte ein Stuhl auf dem Boden, genau über seinem Kopf zerplatzte ein Weinschlauch an der Wand. Seshmosis ging in Deckung und versuchte, sich mit den Armen zu schützen. Genau in diesem Augenblick hörte er jemanden seinen Namen rufen. Ganz eindeutig, jemand rief: »Seshmosis!«
    »Ich bin hier«, brüllte er zurück. »Ich bin hier unten!«
    Die Stimme von oben rief etwas, aber in dem allgemeinen Geschrei konnte Seshmosis nicht verstehen, was sie rief. Er formte die Hände zu einem Trichter und schrie zurück: »Hier ist Seshmosis! Ich bin in Gefahr! Holt mich hier raus!«
    Dann lauschte er angestrengt, doch er konnte die Antwort wieder nicht verstehen. Zumindest kehrte die Hoffnung zurück. Ein Käse traf ihn an der Stirn, er bückte sich und steckte ihn automatisch in sein vom Wein durchnässtes Gewand. Auch seine Leidensgenossen sammelten irgendwelche Dinge vom Boden auf, dann machten sie sich gemeinsam auf den Rückweg.
    Als sie ihre Kammer schon fast erreicht hatten, sah Seshmosis eine kleine, rot getigerte Katze durch den Gang huschen.
     
    *
     
    Die Tajarim drängten sich auf der überfüllten Terrasse, und Kalala musste Tafa bitten, etwas Platz für sie zu schaffen. Durch den körperlichen Einsatz des Nubiers gelang es ihnen schließlich, ganz vorne zu stehen. Doch auch von hier aus konnte man lediglich die Mauerkronen und die Struktur des Labyrinths erkennen, nicht jedoch, was weiter unten vor sich ging und wer sich dort aufhielt. Die Menschen auf der Terrasse riefen alle möglichen Namen durcheinander, wohl um ihre Angehörigen auf sich aufmerksam zu machen. Aus dem Labyrinth drang ein kaum verständliches Stimmengewirr nach oben.
    »Ruf ihn! Ruf Seshmosis, Tafa!«, befahl Kalala.
    Der mächtige Nubier brüllte mehrmals: »Seshmosis!«
    Nach einer Weile glaubte Kalala, die Stimme des Schreibers zu hören, war sich aber nicht sicher.
    »Ich denke, er war es. Wir müssen einen Weg finden, ihn dort rauszuholen.«
    »Aber Glaukos hat uns verboten …«
    Kalala unterbrach ihren Freund El Vis unwirsch.
    »Wenn ich mich jedes Mal an Verbote gehalten hätte, säße ich immer noch in Theben. Und du hättest mich nie getroffen.«
    Die Leute um sie herum johlten immer lauter, und die Gaben, die sie ins Labyrinth warfen, wurden immer absurder. Gerade wuchteten zwei Männer ein riesiges Scheibenrad von einem Ochsenkarren über den Rand der Terrasse. Dass sie damit einem Hocker die Freude der Erlösung bereiteten, konnten sie nicht sehen.
     
    *
     
    In einer Villa in der Nähe des Palasts von Knossos haderte Theseus mit seinem Schicksal. Dabei war der Plan doch so genial! In seinen Vorstellungen gab es keine Schwierigkeiten: Katreus wird der neue Minos, er, Theseus, heiratet pro forma Ariadne, und schon ist ganz Kreta ein Vasall des Königs von Athen. Wobei in Theseus' Fantasie dieser König nicht mehr sein Vater Ägeus war, sondern er,

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