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Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler

Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler

Titel: Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
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zwei der wenigen, eben in Hafnir verdienten Münzen gleich wieder für die kurze Fahrt ums Kap nach Keflavik ausgeben.
    Der uneingeschränkte Herrscher über diese Siedlung war der Gode Leif Blauzahn. Wie Frodi beherbergte das Oberhaupt etliche Sippen, einige unverschwägerte Zuwanderer und einen eigenen Skalden, und zwar Egil, Skallagrims Sohn. Auch dieser stammte, wie die meisten großen Skalden Eislands, aus der berühmten Schule von Oddi.
    Doch Leif Blauzahn fütterte derzeit noch weitere Gäste durch. Vor zwei Tagen waren drei Missionare aus Norwegen gelandet, Tangbrand, Torarin und Hallfred, die den Menschen der Insel von einem neuen Gott künden wollten. Von einem Gott, den Kristian der Wikingerchrist schon lange kannte, nacheiferte und diente. Auch er war Gast in Leifs Haus, doch man sah ihn kaum, weil man ihm die dunkelste, vom Hochsitz des Herrn am weitesten entfernte Ecke zugewiesen hatte.
    Kristian war ein extremer Heiligenverehrer und versuchte ihre Biografien nachzuleben. Das war auch der Grund, warum er sich nie wusch, denn er hielt sich genau an die Worte des Heiligen Hieronymus, der verkündet hatte: »Wen das Wasser der Heiligen Taufe berührt hat, der braucht hinfort keine Reinigung mehr, weil ihn nichts mehr im Leben beschmutzen kann. Sehet die Fische! Sie leben jahrelang im Wasser, und dennoch riechen sie sehr streng.«
    Kristian war ein sehr einsamer Mensch, doch lebte er nicht schlecht davon, von Hof zu Hof zu ziehen und den Menschen die absurdesten Heiligenlegenden zu erzählen. So fand auch er ein Auskommen und den Trost, auf seine Art Gottes Wort zu verkünden.
     
    Sehr zum Leidwesen von Raffim und Barsil interessierte sich Leif Blauzahn kaum für sie, denn der finnische Zaubersänger Sampo zog die ganze Aufmerksamkeit auf sich. Leif wollte von dem Skalden ein Zauberlied, das den Wohlstand des Hofes und seines Besitzers mehren sollte. Nach einigem Feilschen einigten sich Sampo und der Gode auf den Preis. Der Finne wickelte seine beeindruckende Hechtkiefer-Kantele aus der Decke und sang:
     
    Wenn der Schöpfer selber sänge, milden Mundes selber spräche,
    Säng ein solches Lied der Schöpfer, sänge er, des Sanges mächtig:
    Meere sänge er zu Mettrank, sänge ihren Sand zu Erbsen,
    Säng zu Malz des Meeres Schlammgrund,
    Säng zu Salz des Meeres Kiessand,
    Weites Laubgehölz zu Kornland, säng zu Weizenland die Weiden,
    Kuppen schnell zu Roggenkuchen, Felsen flugs zu Hühnereiern.
    Singen würd' er, sangesmächtig, würde sprechen, würde werken,
    Sänge hier in diesem Hofe alle Pferche voller Färsen,
    Ställe voll geschmückter Köpfe, alle Weiden voller Milchvieh,
    Von dem Hornvieh ganze hundert, tausend Tiere prallen Euters.
    Singen würd' er, sangesmächtig, würde sprechen, würde werken,
    Einen Luchspelz unserm Hausherrn, einen Tuchrock unsrer Hausfrau,
    Schöne Schuhe für die Töchter, rote Hemden für die Söhne.
    Singen würd' er, sangesmächtig, würde sprechen, würde werken. 3
     
    *
     
    »Du hast leicht reden, Ratatöskr, du bist ziemlich unabhängig«, sagte malmend der Hirsch Dain.
    »Außerdem bist du nicht von Anfang an dabei. Du bist ja erst viel später zu uns gekommen«, sprach der Hirsch Duneyr den wunden Punkt des Eichkaters an und rupfte sich mit einer energischen Kopfbewegung einen Zweig von Yggdrasil.
    Die vier mächtigen Hirsche Dain, Dwalin, Duneyr und Dyrathor lebten seit Anbeginn in der Krone der Weltenesche, und jeder von ihnen hatte eine immens wichtige Aufgabe:
    Dain fraß die Knospen, Dwalin die Blüten, Duneyr die Zweige und Dyrathor die Rinde. So schufen die Hirsche fressend die Zeit – denn die Knospen waren die Stunden, die Blüten die Tage, die Zweige die Jahre und die Rinde das Zeitalter, das Äon. Erst durch das Fressen verging Zeit, und da Hirsche immer fressen oder wiederkäuen, verging auch ständig Zeit.
    »Vielleicht vergeht die Zeit auch einfach so, wenn ihr nicht fresst«, gab Ratatöskr zu bedenken. »Skalli und Hati dachten auch, dass ohne ihre Hatz die Sonne stillstehen würde. Und was ist? Seit Tagen liegen die Wölfe jetzt schon faul unter dem Baum, putzen ihr Fell, und die Sonne scheint immer noch!«
    »Aber bei uns ist das doch etwas ganz anderes! Wir sind Hirsche«, sagte Dyrathor bedächtig. Weil er für die große Zeit, für das Zeitalter zuständig war, fühlte er sich als Oberhaupt und Sprecher der vier. »Hirsche belügt man doch nicht so einfach wie Wölfe.«
    »Was macht dich da so sicher?« Ratatöskr gab nicht

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