Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler
Handeln ging, waren die Menschen alle gleich. Und so suchte er im Dunkel der Halle seine Freunde Elimas und Nostr'tut-Amus, um ihnen von seinen neuen Plänen zu erzählen. Zu seiner Freude erklärten sich beide sofort bereit, ihn auf seiner Reise zu begleiten. Vor allem Nostr'tut-Amus war begierig darauf, eine nordländische Seherin und ihre Arbeitsmethoden kennenzulernen.
Dann fragte er Sampo, ob er vielleicht ebenfalls mit ins Landesinnere kommen wolle, doch der lehnte leider ab: »Ich werde noch eine Zeit lang an der Küste von Hof zu Hof ziehen und mir mit Zaubersingen meinen Lebensunterhalt verdienen. Nach der Sommersonnenwende gehe ich dann nach Oddi. Dort soll ich an der Skaldenschule unsere finnische Art des Dichtens und des Liedvortrags unterrichten. Es ist eine große Ehre für mich, dass sie mich einluden. Eisland ist nämlich bekannt dafür, die besten Skalden der Welt auszubilden!«
»Dann danke ich dir für deine Hilfe, Sampo«, sagte Seshmosis.
»Nichts zu danken, Prophet eines fremden Gottes«, entgegnete der Skalde. »Ich werde mit deinen Freunden nach Keflavik segeln zum Hof des Goden Leif Blauzahn. Doch vorher muss ich hier noch etwas Wichtiges tun. Die Fischer haben etwas Geld zusammengelegt, damit ich ihnen einen Fischfangglückszauber singe. Willst du dabei sein?« Nicht nur Seshmosis wollte den Finnen hören, sondern alles in Hafnir, was zwei Beine hatte. Und etliche Vierbeiner auch, denn an der Mole versammelten sich nicht nur die vollzählige Bevölkerung des kleinen Ortes, die Tajarim und die Phönizier, sondern auch ein paar Hunde.
Sehr zum Leidwesen von Raffim und Barsil hatte Frodi für dieses Ereignis das Handeln unterbrochen und die Tajarim auf später vertröstet.
Sampo stand nahe dem Drachenboot und wickelte sein Musikinstrument, eine Kantele, aus einer Wolldecke. Sie bestand aus einem gewaltigen Hechtkieferknochen. Das offene Ende des Knochens war mit einem Holzstab verbunden. Von ihm aus liefen wie bei einer Lyra die Saiten, die zwischen den spitzen Zähnen am Kiefer befestigt waren.
Alle Geräusche der Menschen waren verstummt, die Hunde bellten nicht mehr, und nur das Rauschen des Meeres in der Bucht begleitete das Spiel des Sängers. Sampo sang:
Auf wogenden Wellen sei euch kein Neid, kein Hader,
auf des Wasserdrachen Rücken die Fahrt soll glücken.
Reich sei eure Beute im Reich der Ran,
Ägir geleite den hölzernen Hirsch auf wogenden Wellen,
die Fische groß sollen springen in sich füllende Netze.
Seshmosis war von dem Gesang merkwürdig berührt. Er kannte und liebte die Lieder seines Freundes El Vis, doch was Sampo sang, hatte eine ganz andere Art von Faszination. Obwohl die Herzen der Menschen von den Tönen und Worten des Finnen berührt wurden, schienen sie in erster Linie ganz anderen zu gelten. Vielleicht waren diese Lieder wirklich Nahrung für die Götter.
Nachdem er geendet hatte, verneigte sich Sampo vor den Fischern und hüllte seine Kantele wieder in die Decke.
Einar und seine Kameraden bestiegen das Drachenboot und machten sich zum Auslaufen fertig. Raffim und Barsil kehrten erwartungsfroh in die Halle des Häuptlings zurück. Derweil informierte Seshmosis seinen Freund Zerberuh über seine Pläne und erkundigte sich nach einem Führer für seine Reise. Nach einigen Missverständnissen mit den Einheimischen kam schließlich ein Mann zu Seshmosis, der sich als Sigurdur Erikson vorstellte.
»Ich mag einer der wenigen Männer im Westen sein, die nie auf Wikingfahrt waren, doch dafür reiste ich schon öfter ins Landesinnere, als ich Jahre zähle«, warb er für seine Dienste. »Keiner kennt die Pfade durch die Berge und die Furten durch die Gletscherflüsse so gut wie ich. Ich will dir und deinen Freunden gute Pferde besorgen, die nicht an jedem Grasfleck stehen bleiben. Auch sorge ich für Proviant und alles, was man für ein Lager braucht. So sorge du für den Lohn.«
Seshmosis klimperte mit den Münzen in seinem Geldbeutel, und Sigurdur hielt sein Versprechen. Schon bald standen für jeden ein Reittier und ein Packpferd bereit. Seshmosis wunderte sich über die Kleinheit der Pferde auf Eisland, doch Sigurdur erklärte ihm, dass diese alte Rasse wesentlich robuster und unempfindlicher gegen Kälte sei und die Tiere außerdem weniger zu fressen brauchten, alles wichtige Faktoren in der kargen, futterarmen Wildnis des Landesinneren.
Seshmosis verabredete mit Zerberuh, dass man sich spätestens in acht Tagen in Keflavik treffen wolle.
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