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Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler

Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler

Titel: Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Scherm
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unsichere Könige, die wie glückliche Könige wirken wollen, noch viel freigiebiger. Gunther war ein sehr unsicherer König, und deshalb gab es auf der Burg und auf dem Marktplatz der Stadt und sogar im Zeltlager am Rhein von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang kostenloses Essen, Freibier und Freiwein.
    Überall erklangen Sackpfeifen, Trommeln und Schalmeien. Natürlich zog das große Ereignis auch jede Menge Gesindel landauf, flussab nach Worms. Die Aussicht auf mehrere üppige Mahlzeiten und vielleicht sogar einen erfolgreichen Diebstahl reichte den meisten als Reisegrund.
     
    Brünhild litt. Sie litt unter der Menschenmenge, die ihr schier die Luft zum Atmen wegschnaufte. Sie litt unter dem Lärm des Stimmengewirrs und dem Dröhnen der Musik. Vor allem litt sie unter der Vorstellung, in Kürze die Gattin von Gunther zu sein.
    Unter dem fortwährenden Leiden von Brünhild wiederum litt Seshmosis, auch nach der Schiffsreise immer noch als persönlicher Adjutant der Schildmaid tätig. Dauernd nervte die Walküre ihn mit ihren abseitigen Wünschen und ließ keine Gelegenheit aus, ihm klarzumachen, dass er höchstselbst Schuld an ihrer Misere sei. Ständig betonte sie, dass er sie nur auf Eisland hätte heiraten müssen, um all dies hier in Burgund zu verhindern.
    Seshmosis sah keine Möglichkeit, dieser unerbittlichen Logik zu entrinnen. Überhaupt brauchte man in jenen Tagen am burgundischen Königshof ein starkes Nervenkostüm. Gunthers Brüder Gernot und Giselher ließen sich ebenfalls von jedem und jeder mit dem Titel »König« anreden, wobei sie ja lediglich Prinzen waren. Seshmosis fand das albern. In Byblos oder gar in Ägypten hätte es solche unpräzisen Titel niemals gegeben. Da regierte nur ein Herrscher, und der war unumstritten, und wenn einer meinte, er wäre genauso ein Herrscher, meinte er es nie sehr lange.
    Doch unerträglicher noch als den Königsunsinn empfand Seshmosis die beiden Brüder selbst. Gernot war eine Krämerseele, die selbst Raffim übertraf, und der junge Giselher litt an »Fassfieber«. Das führte dazu, dass er meist schon mittags trunken an der Tafel saß. Wahnfried, der Hofsänger, krönte das Ganze, indem er bei jeder Gelegenheit Verse aus seinem selbst gedichteten Burgundenlied vortrug. Seshmosis bekam von dem ewigen Gesinge schon Magenschmerzen.
    Dann rückte die Stunde der Trauung immer näher. Die Glocken riefen schon zur Kirche.
    »Du wirst mich meinem Bräutigam zuführen!«, befahl Brünhild.
    »Niemals, edle Dame! Ich bin kein Christ, ich bin ein Fremder in Land und Glauben. Ich kann das nicht!«, wehrte sich Seshmosis.
    »Bei uns ist es Brauch und Sitte, dass der Vater die Braut führt. Wenn der schon tot ist, dann ein Bruder. Ich habe aber weder Vater noch Bruder, ich habe nur dich, meinen Retter! Also ist es deine Pflicht!«
    »Ich kann das nicht«, beharrte Seshmosis verzweifelt.
    »Du musst! Durch deine Rettung hast du mir das Leben neu geschenkt. Du bist sozusagen mein zweiter Vater«, argumentierte die Walküre.
    »Ich dachte, du wolltest mich als deinen Gatten.«
    »Das hättest du ja auch haben können. Statt mein Gatte bist du jetzt mein Neuvater. Das hast du nun davon! Du kannst mich nicht allein lassen. Ich bin so einsam hier.«
    Seshmosis erkannte, dass Brünhilds Traurigkeit echt war. Er wusste, dass sie die wild-romantische, liebliche Landschaft am Rhein sofort wieder gegen ihre wild-zerklüftete, raue und kalte Heimat eingetauscht hätte.
    »Gut, ich führe dich in der Kirche deinem Bräutigam zu«, gab Seshmosis nach, und Brünhild lächelte. Es war kein triumphierendes Lächeln, es war ein dankbares.
    So kam es, dass ein Schreiber aus Byblos, der aus dem ägyptischen Theben stammte und Prophet eines kleinen, namenlosen Gottes war, eine Frau aus Eisland, die einst als unsterbliche Walküre neben dem Gott Odin geritten war, in die Kirche von Worms am Rhein zur christlichen Trauung mit dem burgundischen König führte.
     
    Brünhild fühlte sich während der ganzen Trauung unbehaglich. Die Zeremonie war ihr fremd, und sie verstand nicht, was der Priester sagte und tat. Außerdem nervte sie das ständige Grinsen Gunthers. Mussten Männer bei ihrer Hochzeit wie Schwachsinnige aussehen? Sie blickte sich nach dem anderen Paar um, Siegfried und Kriemhild. Die beiden stellten den gleichen albernen Gesichtsausdruck zur Schau, der anscheinend zum Hochzeitszeremoniell des Hofes von Burgund gehörte. Brünhild atmete tief durch, ergab sich ihrem Schicksal und ließ

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