Die Nonne und der Tod
hielt eine Laute in der Hand, ohne darauf zu spielen. Ab und zu, wenn er glaubte, dass ich nicht hinsah, glitt sein Blick zu mir. Er hieß Matthias.
»Hör nicht auf den Kurzen«, sagte Richard. »Der Affe ist sein bester Freund, und darum will er nicht, dass du ihn anfasst.«
Eine Frauenstimme lachte schrill, ich verstand nicht, warum. Sie gehörte Maria, der einzigen Gauklerin, die bei uns saß. Es gab noch ein zweites Feuer neben einem der anderen Karren, doch von dort kam niemand zu uns.
»Richard hat recht«, sagte Maria. »Du kannst ihn ruhig streicheln.«
»Vielleicht später.« Ich legte die Hände in meine Schürze.
Else reichte mir erneut den Holzbecher. Dieses Mal trank ich daraus, schluckte das warme, bittere Bier schnell hinunter, damit sich der Geschmack nicht in meinem Mund ausbreiten konnte. Ich mochte kein Bier. Zuhause legte mir Mutter meist einen Viertel Apfel oder ein paar Kirschen hinein, aber ich wagte nicht, die Gaukler nach etwas Obst zu fragen. Es wäre sicherlich unhöflich gewesen, die gebrachten Geschenke direkt wieder einzufordern.
Es wurde still an unserem Feuer. Ich lauschte auf das Knacken des brennenden Holzes und überlegte, wie ich mich am höflichsten von den Gauklern verabschieden konnte. Auch Else war still; aus den Augenwinkeln sah ich, wie sie den Affen anstarrte, als glaubte sie, er würde sich jeden Moment in einen Menschen zurückverwandeln.
Ich verfluchte sie innerlich. Sie musste etwas missverstanden haben, denn wir waren zwar willkommen an diesem Feuer, aber nicht erwünscht. Die Gaukler wussten nicht, worüber sie mit uns reden sollten, und wahrscheinlich hatten sie Angst, dass jemand aus dem Dorf uns sah und glaubte, sie hätten uns verschleppt.
Ich bin so dumm , dachte ich. Warum bin ich nicht zu Hause geblieben?
Selbst der Affe mit seinen seltsam menschlichen Bewegungen konnte mich nicht von dem Gedanken ablenken, etwas falsch gemacht zu haben.
Vom anderen Feuer drang Gelächter zu uns herüber, dann eine betrunkene Männerstimme. Ich hob den Kopf, als ich sie erkannte, und drehte mich unwillkürlich nach ihr um.
Die Planen auf dem Karren neben dem zweiten Feuer bewegten sich. Ich hörte eine Frau lachen. Ein Mann kroch unter den Planen hervor und stieg ungeschickt über die Deichsel des Karrens. »Ich komme wieder«, rief er. Das Mondlicht spiegelte sich auf seinem kahlen Schädel. »Du kriegst schon noch, was du verdienst.«
Die Frau lachte erneut. »Gib es mir, wenn du kannst.«
Der Mann drehte sich um. Das Feuer erhellte sein Gesicht.
»Bauer Josef?« Else war so überrascht, dass sie beinahe schrie.
Der alte Bauer drehte sich taumelnd zu uns um. Sein Blick traf den meinen, bevor ich mich abwenden oder ducken konnte. Einen Moment blieb Josef stehen und starrte zu uns herüber, dann verschwand er zwischen den Karren in Richtung des Weges.
Mit gesenktem Kopf sprang ich auf und ergriff Elses Hand. »Wir müssen weg. Komm.«
Else sträubte sich. Sie hatte mehr Bier getrunken als ich und bewegte sich unsicher. »Aber ich will nicht.«
»Er hat uns gesehen! Weißt du, was das heißt?«
Nun stand auch Richard auf. Der Affe auf seiner Schulter quietschte wie eine Maus. »Du musst dir keine Sorgen machen, Ketlin, es wird nichts passieren.«
Ich ließ Else los und fuhr herum. »Euch vielleicht nicht, mir schon!« Mein Ärger war wie ein Windstoß, der durch eine plötzlich aufspringende Tür fuhr. Er traf Richard so unvorbereitet, dass er einen Schritt zurücktrat. »Ihr habt nichts zu verlieren, wenn man sich über euch den Mund zerreißt! Aber wenn Josef erzählt, dass er mich hier gesehen hat, werde ich in diesem Dorf verrotten, so wie Mutter es prophezeit hat!«
Ich holte tief Luft.
»Er wird nichts erzählen.« Richards Stimme klang beruhigend, als würde er auf ein verängstigtes Kalb einreden.
»Und warum nicht?« Ich schrie ihn an. Mutters Stimme tobte wütend durch meinen Kopf.
»Weil du ihn auch gesehen hast.«
Die Überzeugung, mit der er die Worte aussprach, brachte mich zum Schweigen.
»Oh«, sagte Else neben mir und begann zu kichern, aber ich verstand erst, wovon eigentlich die Rede war, als sie eine unanständige Geste machte. Die Gaukler lachten, der Affe kratzte sich. Ich wurde rot.
Mit einem Pfiff lud Richard die Gaukler am anderen Feuer zu uns ein. Ich nahm an, dass sie für Josefs Unterhaltung zuständig gewesen waren. Unter ihnen war auch eine junge Frau, die nach dem Bauern aus dem Karren geklettert war. Sie war hübsch und
Weitere Kostenlose Bücher