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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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hatte langes braunes Haar, aber ich brachte es kaum über mich, sie anzusehen. Sie schien mein Unwohlsein zu bemerken, denn sie richtete kein einziges Wort an mich.
    Die Stimmung änderte sich rasch, als sich die zweite Gruppe zu uns setzte. Matthias begann auf seiner Klampfe zu spielen, Else und ich sangen die Lieder mit, die wir kannten, und hörten bei denen zu, die uns fremd waren. Richard schien der Anführer der Gaukler zu sein, denn wenn er sprach, unterbrachen alle anderen ihre Unterhaltungen und lauschten seinen Worten. Er hatte eine tragende, laute Stimme, die er, wie er sagte, auf »den großen Bühnen dieser Welt« ausgebildet hatte. Als ich ihn bat, davon zu erzählen, verdrehten einige Gaukler zwar die Augen, hörten ihm aber trotzdem zu.
    Seine Stimme war wie ein Schiff, das mich mit auf eine Reise nahm. Richard erzählte von den Orten, die er gesehen, und den seltsamen Wesen, die er getroffen hatte. Ich hörte Namen, die ich nur aus der Bibel kannte, Rom und Jerusalem, Kamel und Löwe. Er hatte mit Königen gespeist und mit Bettlern gerungen; sogar den Papst hatte er gesehen.
    Irgendwann schlief Else ein, den Kopf an meine Schulter gelehnt, aber ich konnte nicht genug von den Geschichten bekommen, die zuerst Richard und später auch die anderen Gaukler erzählten. Vieles verstand ich nicht, anderes erschien mir geradezu schockierend. Doch das war egal, ich genoss die Reise und wollte keinen einzigen Augenblick verpassen.
    Doch schließlich lehnte sich Richard mit dem Rücken gegen den Karren und sah mich an. Der Affe hatte sich auf seinen Oberschenkeln zusammengerollt und schlief. »Du weißt jetzt so viel über uns, aber wir wissen nichts über dich. Das ist unhöflich von uns, wir sollten auch dich zu Wort kommen lassen.«
    Ich schüttelte den Kopf und senkte den Blick, als sich mir alle Gesichter zuwandten. Sogar der Affe erwachte und sah auf.
    »Über mich gibt es nichts zu erzählen«, sagte ich. »In meinem ganzen Leben bin ich nie weiter als bis Coellen gekommen.«
    »Coellen ist eine schöne Stadt.«
    Es klang fast so, als wolle Richard mich trösten. Etwas in mir, das ich vorher nie wahrgenommen hatte, begehrte dagegen auf.
    »Ja, sie ist schön.« Ich hob den Kopf und sah Richard in die Augen. »Und schon bald werde ich dort leben als Frau eines wohlhabenden Mannes.«
    Richard schien meine Antwort zu überraschen. Er hob die Augenbrauen. »Es gibt viele Mädchen, die sich so etwas wünschen.«
    »Aber ich habe etwas dafür getan. Ich nehme Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen, und ich weiß, wie man sich bei Tisch zu benehmen hat.«
    »Dann steht der Krone ja nichts mehr im Weg«, murmelte Maria so leise, dass mir erst später, als ich in unserer Hütte lag und nicht einschlafen konnte, klar wurde, was sie gesagt hatte.
    Richard brachte sie mit einem Blick zum Schweigen. »Unterrichtet dich jemand aus deiner Familie?«
    »Nein, eine Nonne aus dem Zisterzienserkloster.«
    Die anderen Gaukler lauschten unserer Unterhaltung. Matthias legte die Laute beiseite und griff nach dem Bierkrug, den die Asche des Feuers warm hielt. Ohne zu fragen, schüttete er mir nach.
    »Das ist sicher sehr teuer«, sagte Richard.
    Ich nickte, stolzer, als ich es hätte sein dürfen. Die Worte sprudelten aus mir heraus wie das Bier aus dem Krug. »Eine halbe Goldmünze kostet es im Jahr, und ich lerne schon seit zwei Jahren. Meine Mutter sagt immer, wer eine gute Ernte einbringen will, darf nicht am Saatgut sparen.«
    »Deine Mutter ist eine kluge Frau.« Richard drehte den Holzbecher, aus dem er schon den ganzen Abend trank, nachdenklich zwischen den Händen. »Und was sagt dein Vater dazu?«
    Ich öffnete den Mund. In meinen Gedanken stand die Antwort, die ich ihm geben wollte und die ihm das überlegene Lächeln aus dem Gesicht gewischt hätte, doch im letzten Moment schreckte ich vor ihr zurück und sagte stattdessen das, was Mutter mir eingebläut hatte. Das, was niemand glaubte. »Mein Vater ist tot, aber er hat uns ein wenig Land und ein kleines Vermögen hinterlassen.«
    »Genügend Land und Vermögen, dass es euch leichtfällt, den Unterricht zu zahlen?« Der Schein des Feuers flackerte über Richards Gesicht.
    Ich log nicht noch einmal. »Nein.«
    »Wäre es dann nicht vernünftiger, das Gold für deine Mitgift zu sparen, damit nicht nur dein Bräutigam von deiner Schönheit und Anmut hingerissen ist, sondern auch sein Vater die Vorteile eurer Heirat zu schätzen weiß?«
    Ich konnte seinen

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