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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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durch einen leeren Türrahmen ins Innere der Hütte traten. Überall lag Unrat herum und Teile des halb eingestürzten Dachs. Der größere blieb in einer Ecke stehen und schob einige Trümmer mit dem Fuß beiseite. In der Hütte war es gerade noch so hell, dass ich das hölzerne Viereck sehen konnte, das darunter zum Vorschein kam, und den Eisenring darin.
    Eine Falltür, erkannte ich, noch bevor er sie öffnete und sie sich lautlos in den Scharnieren bewegte. Ich sah auch, dass die Ränder mit Stoff abgedichtet waren.
    Der hochgewachsene Schmuggler bemerkte meinen Blick. »In unserem Geschäft kann man nicht vorsichtig genug sein«, sagte er, dann stieg er, den Korb immer noch auf dem Rücken, die Leiter hinab.
    Der kleinere Schmuggler zeigte mit dem Kinn in die dunkle Bodenöffnung. Er stand zwischen mir und dem einzigen Ausgang der Hütte. »Nach dir.«
    Ich folgte seinem Kumpan die Leiter hinunter. Sie war länger, als es von oben den Anschein gehabt hatte. Kühle Luft stieg an meinen Beinen empor und streifte auch mein Gesicht, konnte aber das ungute Gefühl nicht vertreiben, das bei jedem Schritt, den ich nach unten tat, größer wurde.
    Der hochgewachsene Schmuggler wartete auf mich am Fuß der Leiter. Er hatte eine Fackel entzündet, mit der er leuchtete. Über mir schloss der zweite Schmuggler die Falltür und folgte mir.
    »Wenn du jemals anderen von diesem Ort erzählst«, sagte er, als er die letzte Sprosse hinter sich ließ, »wirst du unter elenden Schmerzen sterben.« Seine Stimme hatte einen drohenden Ton angenommen. »Wir finden jeden. Jeden.«
    Ich nickte, ohne etwas zu sagen.
    »Mach ihr keine Angst«, sagte der große. Er rückte den Korb auf seinem Rücken zurecht. Ich bemerkte den schmutzigen Stoffrest, den er sich um eine Hand gewickelt hatte und der braune, feucht wirkende Flecke aufwies.
    »Ist das Blut?«, fragte ich.
    Er warf einen Blick auf seine Hand, ballte sie zur Faust, wie um mir zu beweisen, dass alles damit in Ordnung war, und hob die Schultern. »Ich hab mich vor ein paar Tagen geschnitten. Ist nichts weiter.«
    »Wenn du möchtest, sehe ich mir die Wunde mal an. Ich kenne mich aus mit so etwas.«
    Meine Worte klangen anbiedernd, und er fasste sie auch genauso auf. »Mach dir um mich mal keine Sorgen«, sagte er, während er mit der Fackel in den Gang vor uns hineinleuchtete.
    Ich zuckte zusammen, als ihr Licht lange Schatten aus der Dunkelheit riss. Im ersten Moment glaubte ich, Menschen zu sehen, doch dann erkannte ich, dass es Statuen waren, die in kleinen Alkoven entlang des Gangs standen. Sie waren so groß wie Kinder. Allen fehlten die Köpfe.
    Der hochgewachsene Schmuggler ging an ihnen vorbei wie ein Offizier an seiner Truppe. Staub und Schmutz bedeckten die Statuen, doch hier und dort entdeckte ich eine fein behauene Hand oder einen nackten Fuß im flackernden Schein der Fackel. So lebensecht wirkten sie, dass es mich nicht gewundert hätte, wären sie aus ihren Alkoven getreten.
    »Was ist das?«, fragte ich.
    »Heidnisches Teufelszeug«, antwortete der kleine hinter mir. Ich hörte, wie er ausspuckte. »Sie standen schon hier, als wir den Schacht entdeckten.«
    »Wir haben ihnen die Köpfe abgeschlagen.« Der große leuchtete in einen Alkoven hinein, als wolle er mir zeigen, dass er die Wahrheit sagte. »Jetzt kann der Teufel uns nicht mehr durch ihre Augen beobachten.«
    »Seitdem haben wir auch weniger Pech als früher«, fügte sein Kumpan hinzu. »Am liebsten würde ich sie zu Staub zerschlagen.«
    Die beiden Schmuggler, die sich mir als Paul – so hieß der große – und als Georg – das war der kleine – vorstellten, führten mich durch den Stollen, bis wir in eine große Höhle gelangten. An den Wänden stapelten sich Kisten und Säcke. Einige waren geöffnet, und ich sah, dass sich darin Äpfel, Stockfisch und Zwiebeln befanden. Dazwischen standen Stoffballen und Fässer mit Butter, Pökelfleisch, Gewürzen und Wein.
    Ein Vermögen ist das alles wert, dachte ich.
    Im hinteren Teil der Höhle sah ich mehrere Tische, an denen lange Bänke standen, sowie über ein Dutzend mit Vorhängen abgetrennter Holzverschläge, in denen sich Schlafstätten befanden. In einem offenen Verschlag sah ich zwei kleine Kinder auf einer Strohmatratze mit einer Katze spielen, in einem anderen nähte eine Frau im Licht einer Öllampe. Bei den meisten Verschlägen waren jedoch die Vorhänge zugezogen, sodass man nicht hineinsehen konnte. Es gab noch einen zweiten Gang, in dem der

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