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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Schein einer Fackel flackerte, aber ich konnte nicht sehen, wohin er führte.
    »Ist er da?«, fragte Paul so laut, dass ich zusammenzuckte.
    Die Kinder beachteten ihn nicht, nur die Frau sah von ihrem Nähzeug auf. Sie hatte dunkelblondes, von grauen Strähnen durchsetztes Haar und wirkte älter, als sie wahrscheinlich war.
    »Nein«, sagte sie. Ihr Blick fiel auf mich. »Wer ist das?«
    Paul setzte den Korb ab und streckte sich. »Eine Bittstellerin.«
    Die Frau hob die Augenbrauen. »Bittstellerin? Sind wir jetzt bei Hof?«
    »Ach, du weißt, wie ich das meine, Femeke.« Paul winkte mit seiner verbundenen Hand ab und verzog im nächsten Moment das Gesicht. Die Verletzung schmerzte ihn also doch, auch wenn er es nicht zugeben wollte. »Hast du wenigstens Czyne gesehen?«
    »Sie ist hinten.« Femeke sah mich immer noch an. Ich fühlte mich unwohl unter ihrem Blick. »Aber ich glaube, es wäre vielleicht besser zu warten, bis …«
    »Wieso sehe ich nur einen Korb?« Die Stimme klang schneidend und scharf wie ein Messer.
    Ich fuhr herum, ebenso wie Paul und Georg. Die Frau, die mit einer Öllampe in der Hand aus dem schmalen Gang zu meiner Rechten trat, erkannte ich sofort wieder. Sie war bei den Schmugglern gewesen, die ich vergeblich verfolgt hatte.
    Mit der Öllampe zeigte sie auf mich. »Wer ist das?«
    »Eine Bitt…« Paul unterbrach sich, wollte das Wort nicht mehr wiederholen. »Sie hat uns geholfen, als die Soldaten kamen, und jetzt möchte sie uns um unsere Hilfe bitten.«
    »Ich nehme an, dass die Soldaten der Grund für den Verlust des Korbs sind?«
    Georg nickte. Unruhig trat er von einem Fuß auf den anderen. Es war nicht zu übersehen, dass er Angst vor ihr hatte.
    Czyne kam näher. Sie war groß und dünn, keine hübsche Frau, doch eine, die Blicke auf sich zog und das auch wusste. Ihr langes Haar war dunkel, fast schwarz, ebenso wie ihre Augen. Durch die hohen Wangenknochen wirkte ihr Gesicht streng. Sie trug einen schlichten erdfarbenen Rock, hohe Lederstiefel und über dem Hemd einen dunklen Umhang mit Kapuze. Von ihrem Gürtel hingen ein Dolch in einer hölzernen Scheide und ein Beutel. Wäre ich ihr in der Stadt begegnet, hätte ich sie wahrscheinlich für eine Krämerin gehalten, die ihren Mann auf einer Reise begleitete. Nur ihr Gesichtsausdruck passte nicht dazu.
    Gefährlich. Das war das erste Wort, das mir einfiel, als ich sie ansah.
    »Und du«, fuhr Czyne an mich gewandt fort, »hast die beiden zufällig getroffen und beschlossen, ihnen zu helfen, ja?«
    Ich hörte den Sarkasmus in ihrer Stimme und entschied, die Wahrheit zu sagen. »Nein. Ich bin schon lange auf der Suche nach euch, deshalb nehme ich jeden Abend den Weg durch diese Gassen. Dass ich euch helfen konnte, war ein glücklicher Zufall, meine Anwesenheit nicht.«
    »Und was willst du für diesen glücklichen Zufall?« Wieder die gleiche sarkastische Betonung.
    Bis auf die Kinder sahen mich alle an. Ich begann, nervös mit der Kordel zu spielen, die meine Schürze hielt.
    »Jemand, den ich kenne«, sagte ich zögernd, »ein Freund, ist auf dem Weg nach Coellen. Ich möchte, dass ihr ihn in die Stadt schmuggelt.«
    Schweigen antwortete mir. Ich wartete, dass jemand etwas sagte, aber ich hörte nichts außer dem Knistern der Öllampen und Fackeln.
    »Das könnt ihr doch, oder?«, fragte ich schließlich, als sich die Stille in die Länge zog.
    Paul grinste und kratzte sich an seiner Bandage. Czyne lachte. »Wir könnten ein ganzes Dorf unbemerkt in diese Stadt schaffen, wenn wir das wollten.« Sie klang stolz. »Die Frage ist nur, was du dafür zu zahlen bereit bist.«
    Nichts , dachte ich.
    Obwohl ich das Wort nicht aussprach, nickte Czyne. »Das habe ich mir gedacht.«
    Sie wollte sich abwenden, aber ich hielt sie mit einer Geste auf. Wenn sie ging, das wusste ich, war alles vorbei. Die anderen würden sich nicht trauen, mir ohne ihre Zustimmung zu helfen, auch wenn ich glaubte, zumindest in Pauls Gesicht Mitgefühl zu erkennen.
    »Kann ich mich nicht irgendwie anders erkenntlich zeigen?«, fragte ich. »Meine Mutter war eine angesehene Kräuterfrau in unserem Dorf, und ich habe viel von ihr gelernt. Ich könnte …«
    Czyne ließ mich nicht ausreden. »Geh nach Hause, Kind. Paul und Georg sollen dir einen Sack mit Vorräten füllen als Dank für deine Hilfe. Es war falsch von ihnen, dich hierherzubringen. Sie haben Hoffnungen in dir geweckt, die sie nicht erfüllen können.« Die beiden Männer sahen zu Boden. Im Hintergrund

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