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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Soldaten erfasste mich Panik, weil ich befürchtete, sie könnten mich als die angebliche Hexe erkennen, die sie suchten.
    Die beiden Flüchtenden drehten überrascht die Köpfe, als ich mich ihnen plötzlich anschloss, den Rock gerafft, damit ich nicht darüberstolperte, den Blick nach vorn in die Gasse gerichtet. Ich hörte die Soldaten hinter mir keuchen. Sie würden das Tempo nicht mehr lange halten können.
    Wir bogen um eine Biegung – und vor mir versperrte ein querstehender Karren die Gasse!
    Ich sprang über die Deichsel. Der Mann hinter mir schrie erschrocken auf. Möhren rollten an mir vorbei über den Boden. Der andere Mann fluchte.
    Ich sah mich nach ihnen um. Einer der beiden war über die Deichsel gestolpert und gestürzt. Sein Korb hing schief auf seinen Schultern, Möhren und Zwiebeln ergossen sich daraus in die Gasse, und ich sah gefalteten Stoff, der darunter verborgen gewesen war. Der zweite Mann versuchte seinem Kumpan aufzuhelfen, aber sein eigener Korb war zu schwer und verhinderte, dass er in die Knie gehen konnte.
    Gesichter tauchten in den Fensterlöchern auf, schmutzig und misstrauisch. Ich befand mich in einem der ärmlichen Viertel der Stadt. Niemand mischte sich in die Angelegenheiten Fremder ein, wenn es keinen Grund dafür gab.
    »Schütte den Korb aus!«, rief ich, denn hinter der Biegung vernahm ich bereits die Schritte der Soldaten.
    Die beiden Männer – der am Boden war bärtig und klein, der andere groß und beinahe kahl – beachteten mich nicht. Der große versuchte immer noch, seinen Begleiter hochzuziehen, während der sich bemühte, nicht auch noch den Rest seiner Waren zu verlieren.
    »Ausschütten!«
    Mit zwei Schritten war ich bei ihnen. Der kleinere duckte sich, als er sah, wie ich mit dem Bein ausholte. Im nächsten Moment krachte mein Fuß gegen den Korb, mit einer solchen Wucht, dass einer der Riemen riss, und der Korb rutschte von den Schultern des Mannes. Obst, Gemüse und zwei erlegte Kaninchen fielen heraus.
    Ich fasste den Mann am Ellenbogen, zog ihn gemeinsam mit seinem Begleiter auf die Füße. Um uns herum wurden Türen geöffnet, und Kinder, angetrieben und geschubst von ihren Eltern, stolperten in die Gasse, um die Waren aufzulesen.
    Innerhalb weniger Lidschläge wimmelte es in der Gasse von sich balgenden Kindern, die einander wegstießen und versuchten, so viel an sich zu raffen, wie sie nur konnten.
    »Aus dem Weg!«, schrie ein Soldat hinter mir. »Im Namen der Stadt Coellen!«
    Ich zog den gestürzten Mann hinter mir her. Er drehte sich um, wollte offenbar wenigstens noch den Korb retten, der unter den Karren gerollt war, doch sein Kumpan stieß ihn an und schrie: »Weiter!«
    Wir liefen durch die schmaler werdende Gasse. Die Soldaten hinter uns schrien Drohungen und schlugen mit den Schwertern auf ihre Schilde, aber sie kamen nicht schnell genug an den Kindern vorbei.
    Ich folgte den Schmugglern durch ein Wirrwarr aus Gassen und Zwischenräumen, die beinahe zu schmal für uns waren.
    Schließlich hatten wir die Soldaten abgehängt, und die beiden Flüchtenden blieben schwer atmend stehen. Der kleinere musterte mich unter zusammengezogenen Augenbrauen.
    »Das war nicht dumm«, sagte er. »Teuer, aber nicht dumm.«
    Ich hob die Schultern, ließ den Rock über meine schmutzbespritzten Beine sinken und strich ihn glatt. Wir standen in einem kleinen Innenhof, umgeben von halb verfallenen Hütten, aus denen man die Türen und Fenstervorhänge gestohlen hatte. Ich glaubte nicht, dass noch jemand dort lebte.
    »Warum bist du gerannt?«, fragte der größere misstrauisch.
    Einen Moment dachte ich darüber nach, ihm zu erzählen, dass auch ich von den Soldaten gesucht wurde, doch Hexerei war ein schweres Verbrechen, und vielleicht hatte Wilbolt sogar eine Belohnung auf mich ausgesetzt.
    »Ich wollte euch helfen, weil ich eure Hilfe brauche«, sagte ich stattdessen.
    »Wobei?«
    Ich wollte verhindern, dass er mich abwies, also schüttelte ich den Kopf und sagte: »Das werde ich dem erklären, der für euch spricht.«
    Die beiden Männer sahen sich an, der kleinere Rat suchend, der größere zögernd. Ich biss mir auf die Unterlippe.
    »Also gut.« Zu meiner Erleichterung nickte der größere. »Aber ich kann dir nicht versprechen, dass wir dir auch wirklich helfen werden.«
    »Oder können«, warf sein Kumpan ein. Er wischte sich das schweißnasse Haar aus dem Gesicht und wandte sich einer der Hütten zu. »Komm.«
    Ich blieb hinter den Schmugglern, als sie

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