Die Nonne und der Tod
nickte Femeke. »Wir arbeiten für Geld, nicht für Gefallen«, fuhr Czyne fort. »Komm zurück, wenn du uns bezahlen kannst.«
Sie wandte sich ab.
Ich versuchte nicht noch einmal, sie aufzuhalten.
»Und, Mädchen«, sagte sie, ohne sich umzudrehen. »Wenn du jemandem von diesem Ort erzählst, wirst du sterben.«
Sie sprach die Worte gelassen. Es war keine Drohung, nur eine Ankündigung dessen, was geschehen würde, wenn ich die Schmuggler verriet.
Georg und Paul packten einen Sack Lebensmittel für mich und brachten mich zurück an die Oberfläche. Auf dem Weg zum Kloster versuchte ich mir einzureden, dass ich Jacob auch so helfen konnte, dass ich die Schmuggler nicht brauchte und dass Gott sie für ihre Gier bestrafen würde. Doch eine kleine Stimme in meinem Kopf beharrte darauf, dass ich Gott bestrafen wollte.
Zwei Tage lang dachte ich kaum an etwas anderes. Dann, am Morgen des dritten, wachte ich auf und sah einen Schatten in der geöffneten Tür stehen.
»Komm«, sagte Georg.
Es ging um Paul. Als ich in die Höhle trat und ihn in einem der Verschläge, dessen Vorhang aufgezogen war, auf der Strohmatratze liegen sah, wurde die Ahnung zur Gewissheit. Sein Gesicht wirkte angespannt, Schmerz grub tiefe Falten in sein Antlitz. Sein Blick war glasig, die Haut fleckig. Er hatte Fieber.
Es war noch früh am Morgen, die restlichen Schmuggler lagen wohl hinter den geschlossenen Vorhängen in ihren Schlafstätten, denn ich hörte Schnarchen und das Murmeln von Träumenden. Offenbar waren nur Georg und Czyne schon wach. Beide hockten sich mit mir an Pauls Lager.
»Mir geht’s nicht so gut«, sagte dieser. Seine Stimme zitterte vor Angst.
Ich lächelte, beruhigend, wie ich hoffte, und setzte mich neben ihn auf das Lager. Georg und Czyne blieben neben mir stehen. Mein Herz begann in meinen Schläfen zu pochen, als ich vorsichtig begann, die Bandagen von Pauls Hand zu entfernen. Ich roch den Gestank der Wunde durch den schmutzigen Stoff. Sie hatte sich entzündet, das Fleisch faulte bereits.
»Ich hab nicht gedacht, dass es so schlimm werden würde«, sagte Paul. Er richtete den Blick zur Decke, so als wollte er nicht sehen, was sich bisher unter den Bandagen verbarg. »Ich wollte eine Scheibe Brot abschneiden, hab nicht aufgepasst, und schon war es passiert. Hat kaum geblutet.«
Er redete weiter, aber ich hörte nicht zu. Im Dorf hatte es oft entzündete Wunden gegeben. Ich erinnerte mich an die Regel, die Mutter mir beigebracht hatte: »Wenn du einen roten Strich siehst, hol einen Verband. Wenn du keinen siehst, hol ein Totenhemd.«
Ich spürte die Blicke von Georg und Czyne in meinem Rücken.
»Bringt mir Licht«, sagte ich, als ich den letzten Stoffrest löste. Er klebte an der Wunde, und Paul stöhnte auf, als ich ihn gänzlich abriss. Der Schnitt in seinem Handballen war tatsächlich nicht groß, aber selbst im Halbdunkel der Höhle konnte ich sehen, wie stark er sich entzündet hatte. Nur einen roten Streifen fand ich nicht.
Georg trat neben mich, eine brennende Öllampe in der Hand. »Hier«, sagte er.
Ich nahm die Lampe und ließ ihr Licht über Pauls ausgestreckten Arm gleiten. Er war so verdreckt, dass ich nichts erkennen konnte, also spuckte ich auf eine der Bandagen und begann die Haut abzureiben.
»Ist es schlimm?«, fragte Paul.
»Ich weiß es noch nicht.« Drei-, viermal spuckte ich auf die Bandage. Mein Mund war so trocken, dass ich kaum genug Spucke zusammenbekam. Georg schien das zu bemerken, denn er beugte sich vor und spuckte auf Pauls Arm.
»Hilft das?«, fragte er.
Ich lächelte und nickte.
Nach und nach löste sich der Schmutz. Braun gebrannte Haut kam zum Vorschein. Ich hielt die Öllampe hoch und drehte den Arm langsam in ihrem Licht.
Und dann sah ich ihn. Einen schmalen roten Streifen, kaum erkennbar auf der gebräunten Haut. Ich ließ die Lampe sinken.
»Und?«, fragte Paul.
Ich schloss die Augen, überlegte, was ich sagen sollte und wie.
»Du wirst weder dein Leben noch deine Hand verlieren«, antwortete ich nach einem Moment.
Paul atmete so laut auf, dass es wie ein Stöhnen klang. Er lehnte den Hinterkopf gegen die Wand, und die Anspannung floss aus seinem Gesicht wie Wasser.
Georg begann zu grinsen. »Hab ich doch gesagt, oder?«
»Wenn dir jemand hilft«, fügte ich hinzu. Ich wandte den Kopf und sah Czyne an. Sie erwiderte meinen Blick.
Kleine Falten bildeten sich in ihren Augenwinkeln wie bei einem Lächeln, doch ihr Mund blieb reglos. »Sag Georg, was du
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