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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Abend wurde. Dann nahm ich den Weg, auf dem ich die Schmuggler gesehen hatte, zurück zum Kloster.
    Ich sprach mit niemandem und hielt den Kopf stets gesenkt, trotzdem begannen mich diejenigen, denen ich jeden Tag begegnete, nach einer Weile zu grüßen, unter ihnen auch die Soldaten an den Toren. Anfangs fürchtete ich noch, einer von ihnen würde mich erkennen oder anfangen, Fragen zu stellen, aber sie ließen mich in Ruhe.
    Nach Sonnenuntergang kehrte ich zu der Kräuterhütte zurück. An manchen Abenden wartete Agnes auf mich, um mir den neuesten Klatsch aus dem Kloster zu erzählen. Ein Priester hatte einen Exorzismus in meiner Zelle abgehalten, nachdem Klara und Alfonsa über Albträume geklagt hatten, eine Novizin, die nur zwei Tage nach meiner Flucht ihr Gelübde abgelegt hatte, war schwanger und weigerte sich, den Vater zu benennen, und Mutter Immaculata sorgte sich um die Disziplin im Kloster.
    »Das ist keine Frau, das ist eine Fleisch gewordene Benediktinerregel«, sagte Agnes mehr als nur einmal. Der Vergleich schien ihr zu gefallen.
    Sie wusste, dass ich den Tag in der Stadt verbrachte, aber sie fragte nie nach dem Grund, was mich erleichterte, denn ich wollte sie nicht noch mehr belügen. Ich erzählte ihr, was ich dort sah, von den Soldaten, die in immer größeren Gruppen durch die Stadt patrouillierten, und von den toten Ratten und dem Gestank, der in den Gassen hing. Und ich erzählte ihr von den Masken, hinter denen die Reichen ihre Gesichter verbargen.
    »Das nimmt kein gutes Ende«, sagte Schwester Agnes. »Sie sollten um die Vergebung ihrer Sünden beten und nicht darauf hoffen, dass ihr Geld sie vor der Strafe Gottes bewahren könnte.«
    »Dann glaubst du, dass die Seuche kommen wird?«, fragte ich. Der Gedanke machte mir Angst. In manchen Nächten träumte ich immer noch von den Kranken, die ich in unserem Dorf gesehen hatte.
    »Das weiß Gott allein. Im Hospital sind nicht mehr Kranke als gewöhnlich, und wir beten immer noch jeden Tag darum, verschont zu werden.« Sie lächelte. »Es wäre gut, wenn du auch darum beten würdest. Gott hat dich nicht verstoßen. Erinnere dich an das Gleichnis vom verlorenen Sohn: Du kannst jederzeit zu Gott zurückkehren, wenn du es nur wirklich willst, und er wird dich als seine Tochter mit Freuden wieder aufnehmen. Denke stets daran.«
    Doch das Beten fiel mir schwer, obwohl ich Agnes zuliebe wenigstens zweimal am Tag zu Gott zu sprechen versuchte. Egal, was sie sagte, ich war mir sicher, dass ich Gott schwer enttäuscht hatte.
    Trotz allem gab ich die Hoffnung nicht auf – weder die, dass uns die Seuche verschonen würde, noch die, dass Jacob eines Morgens vor einem der Stadttore stand.
    Sechzehn Tage war es bereits her, als ich eines Abends durch die Gassen, in denen ich die Schmuggler verloren hatte, zurück zum Kloster ging. Sechzehn Tage, und ich hatte immer noch nichts erreicht.
    Der Sommerabend war regnerisch und kühl. Am Nachmittag war das Wetter umgeschlagen, und seitdem zogen dunkle, fast schwarze Wolken über den Himmel. Zweimal hatte es bereits geregnet, Pfützen standen auf den Wegen, die Fäkalienrinnen quollen über. Ich raffte den Rock und versuchte, die schlimmsten Hindernisse zu umgehen.
    Meine Gedanken kreisten um die Zukunft, vielleicht hörte ich deshalb die Rufe erst, als sie direkt hinter mir erklangen.
    »Stehen bleiben!«
    Ich fuhr herum – und sah die Soldaten!
    Doch sie waren nicht hinter mir her, sondern hinter zwei Männern mit großen Körbe auf den Rücken, die mit Tüchern bedeckt und mit Stricken gesichert waren. Die beiden liefen direkt auf mich zu. Die Soldaten, von denen sie verfolgt wurden, hatten ihre Schwerter gezogen. Ohne die Körbe wären die Flüchtenden den Soldaten in ihren schweren Rüstungen sicherlich entkommen, doch so waren sie kaum schneller als ihre Verfolger.
    Ich erkannte einen der Männer wieder. Er war bei den Schmugglern gewesen, die ich an jenem Abend gesehen hatte, nachdem ich mich aus dem Kloster geschlichen hatte. Die Menschen, die sich sonst noch in der Gasse befanden, wichen ihnen aus, sprangen in Hauseingänge und drückten sich an die Häuserwände, um nicht in das Geschehen verwickelt zu werden. Niemand öffnete die Tür, um sie einzulassen oder nachzusehen, was in der Gasse vor sich ging.
    Die Soldaten waren nicht hinter mir her, und dennoch lief auch ich los, als die Verfolgten auf einer Höhe mit mir waren. Im Nachhinein war mir klar, dass dies ein Fehler war, aber beim Anblick der

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