Die Nonne und der Tod
sind gestorben. Vielleicht wären Eckehart und Jacob von selbst wieder gesund geworden.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Jacob voller Überzeugung.
»Du glaubst es vielleicht nicht, aber du weißt es auch nicht«, fuhr ich ihn an. »Ich habe die Notizen, die du bei deinem Arzt gemacht hast, gelesen, und ich verstehe weniger als die Hälfte davon. Willst du ernsthaft behaupten, ich könnte etwas vollbringen, was so jemand ein Leben lang versucht und nicht geschafft hat?«
Richard sah mich an. »Es kommt nicht darauf an, wie viel du weißt, solange du das Richtige weißt.«
Die anderen am Tisch nickten, auch Jacob.
»Wir müssen es wenigstens versuchen«, meinte er. »Nicht wegen des Geldes, sondern weil es unsere Pflicht als Christen ist.«
Czyne schlug mit ihrem Krug schwer auf den Tisch. »Dann ist es beschlossen. Paul, Dythmar, ihr geht in die Gasse der Gerber und sucht nach Kranken. Sagt ihnen, dass wir sie heilen können, sie brauchen auch nicht zu bezahlen. Damit warten wir, bis es die Reichen trifft. Ketlin, du sagst uns, welche Kräuter du brauchst. Wir werden versuchen, sie zu besorgen. Wir werden die Kranken aber nicht hier behandeln, sondern in den leer stehenden Hütten, die es in unserem Viertel dort oben gibt. Ich will nicht, dass wir für unsere Nächstenliebe beklaut werden, und es soll auch niemand von unserem Unterschlupf erfahren. Diese Höhlen müssen geheim bleiben, verstanden?« Sie stand auf. »Worauf wartet ihr noch?«
Ich blieb allein sitzen. Jacob ging um die Bank herum und legte mir eine Hand auf die Schulter. »Sie tun das Richtige aus den falschen Gründen«, sagte er leise.
»Aber du auch.« Ich wandte den Kopf und sah ihn direkt an. »Du willst, dass ich etwas Großes vollbringe, aber das werde ich nicht. Ich habe kein Heilmittel gefunden. Wir machen den Menschen etwas vor.«
»Warten wir es ab.« Er beugte sich vor und küsste mich sanft auf die Lippen. »Es wird alles gut werden, da bin ich mir sicher.«
Richard bat mich noch am Nachmittag, ihn auf den Markt zu begleiten.
»Ich weiß nicht, wonach ich suchen und fragen soll«, sagte er. »Es wäre besser, du kommst mit, sonst lasse ich mir noch Petersilie andrehen.«
Ich lachte, obwohl ich es nicht wollte. »Petersilie ist nicht so schlecht, wie du glaubst.«
Jacob schloss sich uns an, angeblich weil er frische Luft schnappen wollte, aber ich glaube eher, dass es ihn irritierte, wie vertraut Richard und ich miteinander umgingen.
Wir stießen auf Dythmar und Paul, kaum dass wir den Innenhof hinter uns gelassen hatten.
»Keine Kranken«, sagte Dythmar. Er klang enttäuscht, ich war erleichtert.
»Kann aber trotzdem sein, dass es welche gibt«, fügte Paul schnell hinzu. »Diese Gerber sind ein komisches Volk, die bleiben unter sich. Bei dem Gestank auch kein Wunder.«
Die beiden Männer lachten.
»Wir haben ihnen aber gesagt, dass sie in dieses Viertel kommen sollen, wenn jemand krank wird«, erklärte Dythmar, dann meinte er: »Ich brauche jetzt erst mal ein Bier, um den üblen Geruch aus der Nase zu kriegen.«
Richard, Jacob und ich schlugen die Kapuzen unserer Umhänge hoch, bevor wir weitergingen. Regenwolken hingen dunkel und tief über der Stadt.
»Sieht nach einem Gewitter aus«, sagte Richard.
Jacob nickte, aber ich konnte sehen, dass er ihm nicht zuhörte. Sein Blick war auf die Abwasserrinnen und die verwesenden Rattenkadaver darin gerichtet. »Es muss Kranke geben bei all den toten Ratten. Wieso sagen die Leute nichts?«
»Vielleicht hoffen sie noch, dass es etwas anderes als die Seuche ist«, sagte ich.
»Ja.« Er nickte, wirkte aber nicht überzeugt.
Er befürchtet, dass er die Seuche in die Stadt gebracht hat, dachte ich. Bis jetzt hat es nur Menschen getroffen, die in seiner Nähe waren.
Ich nahm seine Hand und ließ sie erst wieder los, als wir den Domplatz erreichten. Es gehörte sich nicht, sich so in der Öffentlichkeit zu zeigen.
Zu meiner Überraschung sah ich mehr Marktstände als bei meinem letzten Besuch, allerdings auch mehr Soldaten. In Vierergruppen gingen sie über den Platz, sorgten dafür, dass die Menschen nicht zusammenstanden, sondern ihre Geschäfte erledigten und gingen. Die Stände ließen sie unbehelligt.
»Fast alles, was ihr hier seht, ist Schmuggelware«, sagte Richard, »aber leider stammt nur wenig von uns. Die Familien haben ihre eigenen Trupps, die den ganzen Dommarkt kontrollieren. Wer hier verkaufen will, muss zuerst bei ihnen kaufen.«
»Aber wenn die Familien
Weitere Kostenlose Bücher