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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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geheilt hat. Das soll sie auch mit Beatke machen, oder willst du ein kleines Kind sterben lassen?«
    »Ich will selbst nicht krank werden, verstehst du?«, schrie Eckehart, und seine Stimme drohte vor Panik zu kippen.
    Einige nickten, aber längst nicht alle. Hinter mir räusperte sich Jacob. Ich drehte den Kopf und sah, dass er vor seinem Verschlag stand und sich an einem Balken abstützte. »Wir müssen die Kranken von den Gesunden trennen. Wenn das sorgfältig eingehalten wird, sollte sich niemand anstecken.«
    »Bringen wir sie doch ins Herrenhaus«, schlug Paul vor. »Dort muss keiner von uns rein.«
    »Herrenhaus?«, fragte Jacob verwirrt.
    Ich winkte ab. »Erkläre ich dir später.«
    Richard hob die Augenbrauen und sah Czyne an, gab die Entscheidung mit einem Blick an sie ab. Ihr Gesicht wurde hart. Ich war mir sicher, dass sie den Vorschlag ablehnen würde, doch bevor sie antworten konnte, sagte Paul: »Femeke ist eine von uns. Wir lassen doch unsere Leute nicht im Stich, oder?«
    »Sie ist keine mehr von uns. Sie hat ihre Wahl getroffen.« Czyne musterte Femeke mit kaltem Blick. Der älteren Frau stiegen Tränen in die Augen, aber sie sagte nichts. »Doch du warst so lange bei uns, dass ich dich wieder aufnehmen werde, wenn alle anderen damit einverstanden sind.«
    Die Reaktion auf ihre Worte war verhalten, auch wenn ihr niemand widersprach. Angst und Mitgefühl spiegelten sich zu gleichen Teilen in den Gesichtern aller wider.
    »Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll.« Femeke begann nun doch zu weinen.
    »Oh, ich weiß das sehr genau.« Czyne lächelte. »Fangen wir damit an, dass du mir sagst, wo Georg steckt und wen er bei sich hat.«
    Femeke setzte sich an einen Tisch und wartete, während wir das sogenannte Herrenhaus für Beatke vorbereiteten. Richard und Czyne trugen ihr persönliches Hab und Gut zu zwei Schlafstätten nicht weit von meiner und Jacobs.
    Die ganze Zeit über saß Jacob neben Femeke. Er gab ihr etwas zu trinken und seine Schüssel mit Suppe, aber sie aß und trank nicht, hielt nur das Bündel, in dem irgendwo Beatke steckte, in den Armen und wiegte es.
    Schließlich stand Jacob auf und kam zu dem Tisch herüber, an dem ich stand. Ich entfernte gerade das Wachs, mit dem ich die kleinen Krüge mit dem Kräutersud versiegelt hatte.
    »Ich glaube, das Mädchen ist schon tot«, sagte er leise.
    Ich ließ das Messer sinken. »Bist du sicher?«
    »Femeke lässt es mich nicht ansehen, weil sie glaubt, der Teufel stecke in mir, aber es hat sich die ganze Zeit über kein einziges Mal geregt.«
    Ich sah zu ihrem Tisch hinüber. Femekes Blick war unstet. Ich versuchte mir vorzustellen, was in ihr vorging, aber es gelang mir nicht.
    »Mein Gott«, sagte ich nur.
    Jacob fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Sie waren immer noch aufgesprungen und von einer blutigen Kruste überzogen. Ich musste darauf achten, dass er sich nicht überanstrengte.
    »Das ist nicht alles«, sagte er.
    Ich folgte seinem Blick, und dann – mit einem Schlag – verstand ich. Wie hatte mir das entgehen können? Femekes Gesicht war immer noch gerötet, obwohl sie bereits seit über einer halben Stunde in der kühlen Höhle saß, und Cunnes Blick war teilnahmslos, ihre Augen wirkten wie trübe Glasmurmeln.
    »Sie sind krank«, sagte ich leise. »Sie sind alle krank.«
    Jacob nickte.
    Beatke war nicht tot, aber ihr Fieber war bereits so hoch, dass sie in tiefer Bewusstlosigkeit versunken war. Femeke erlaubte mir, ihr das Bündel aus den Armen zu nehmen, und ich bettete das Mädchen neben ihr auf die Strohmatratze. Jacob und ich wickelten nasse Tücher um die Arme und Beine des Kindes, doch keine Stunde später starb Beatke dennoch.
    Femekes Verzweiflungsschreie hallten durch die Höhle. Sie schrie und weinte, bis das Fieber ihr die Stimme nahm.
    Ich musste Jacob zwingen, sich hinzulegen und zu schlafen. Er war so erschöpft, dass er zu seiner Schlafstatt taumelte.
    »Wir müssen die Leiche des Kindes verbrennen«, sagte er, als ich den Vorhang schloss. Ich nahm an, dass es eine von Abdullahs Anweisungen war.
    Paul schüttelte den Kopf, als ich ihn bat, mir dabei zu helfen, und auch die anderen, die keinen Schlaf fanden, sondern übermüdet und schweigend an den Tischen saßen, weigerten sich.
    »Sie hat einen Priester und ein Grab in geweihtem Boden verdient«, sagte er. »Das sind wir Femeke schuldig.«
    Insgeheim stimmte ich ihm zu, also legte ich das kleine Mädchen in eine Kiste und deckte es mit einem Tuch zu. Dann

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