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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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schluckte. Leichen lagen auf ihm verstreut. Ich sah Umhänge und nackte Füße, Schürzen und bestickte Handschuhe, Blut, das sich mit Regenwasser mischte. Nur Rüstungen sah ich nicht.
    Jacob zog mich weiter. »Ihnen kann niemand mehr helfen.«
    Und uns?, fragte ich mich.
    Schweigend gingen wir zurück in Richtung Schmugglerversteck. Wir nahmen nur die kleinen, verschlungenen Gassen, fern der breiteren Straßen, auf denen wir die Soldaten vermuteten. Wir gingen vorbei an geschlossenen Türen und Menschen, die ihre Fenster mit Brettern vernagelten. Sie warfen uns misstrauische Blicke zu, nur hin und wieder fragte jemand, ob wir auf dem Platz gewesen seien. Der Regen ließ allmählich nach, das Gewitter zog über uns hinweg, und das Wasser, das es uns gebracht hatte, versickerte im ausgedörrten Boden.
    Zwei Schmuggler, Clawis und Rüsch, hielten im Innenhof Wache, waren wohl von Czyne abgestellt worden, um all die Kranken, die sie erwartete, in Empfang zu nehmen. Zu meiner Erleichterung waren die beiden Wachen jedoch allein.
    »Wir haben uns Sorgen um euch gemacht«, sagte Rüsch. Er schielte so stark, dass man nie wusste, wen er ansah. »Wart ihr auf dem Blutplatz?«
    »Blutplatz?«, fragte Richard.
    Clawis nickte. »So nennen sie den Rathausplatz schon. Hab ich eben aufgeschnappt, als ein paar Kerle hier vorbeikamen.«
    »Was denn für Kerle?«
    »Keine Ahnung. Kerle eben. Die wollten keinen Ärger, haben uns nur erzählt, was passiert ist.«
    Richard war weitaus misstrauischer als Clawis. »Das gefällt mir nicht.«
    Ich konnte mir denken, was oder vielmehr wer ihm Sorgen bereitete. »Georg?«
    »Geld verdienen ist sicherlich nicht so einfach, wie er sich das vorgestellt hat.« Richard zog die Falltür auf. »Da kann man schnell auf die Idee kommen, sich in den Dienst eines anderen zu stellen.«
    »Wer ist Georg?«, fragte Jacob.
    Ich erklärte es ihm auf dem Weg nach unten.
    Czyne erwartete uns bereits. Sie machte nicht den Eindruck, als hätte sie sich Sorgen um uns gemacht, jedenfalls zeigte sie keinerlei Anzeichen von Erleichterung, als sie uns sah.
    »Keiner«, sagte sie einfach nur. Ich wusste sofort, was sie meinte: Kein Kranker hatte sich im Viertel der Schmuggler blicken lassen.
    »Ich verstehe das nicht.« Jacob blieb neben der Feuerstelle stehen und schlug seinen nassen Umhang aus. Der Stoff hatte den Regen besser abgehalten, als ich gedacht hatte; Jacob war kaum nass geworden. »Sogar der Bürgermeister hat bei seiner Rede von zwei Kranken gesprochen.«
    »Dann sind es in Wirklichkeit zwanzig«, sagte Czyne. »Warum kommen sie nicht zu uns? Wer verzweifelt genug ist, klammert sich an jeden Strohhalm.«
    »Dann kommen sie vielleicht noch«, meinte Jacob.
    »Ich weiß nicht, ob wir uns das wünschen sollten«, murmelte ich und ging zu meiner Schlafstätte. Ich war bis auf die Haut durchnässt. Hinter dem geschlossenen Vorhang zog ich alles aus und hing es zum Trocknen auf.
    »Ketlin?« Richard war eine dunkle Silhouette auf der anderen Seite des Vorhangs.
    Ich nahm die Decke vom Bett und wickelte mich darin ein. »Ja?«
    Er zog den Vorhang ein Stück zur Seite und reichte mir einen zusammengefalteten Rock, Hemd, Schürze und Unterkleid hinein. »Wir haben so viel davon. Ich dachte, du könntest etwas brauchen.«
    »Danke, das ist sehr nett von dir.«
    »Ich gehe morgen früh zum Kloster, um mit Schwester Johannita zu reden. Überleg dir bis dahin, um was ich sie bitten soll.«
    »Das werde ich.«
    Ich legte die Decke ab und schlüpfte in das frische weiche Unterkleid, dann zog ich Hemd und Rock an. Als ich den Blick hob, sah ich den Schatten vor dem Vorhang.
    »Es passt alles genau. Du hast einen guten Blick.«
    »Darf ich reinkommen?«, fragte Jacob.
    Ich fühlte mich ertappt, ohne zu wissen, warum. »Natürlich.«
    Er zog den Vorhang hinter sich zu. »Die ist von Richard, oder?«, fragte er mit Blick auf meine neue Kleidung.
    »Ja, er hat sie mir geschenkt.« Ich legte die Schürze an und knotete sie zu. Es hat nichts zu bedeuten, hätte ich beinahe hinzugefügt, schluckte die Worte aber hinunter, als ich erkannte, dass sie genau das Gegenteil von dem, was ich meinte, ausgesagt hätten.
    Jacob wirkte unsicher. »Hältst du das für angemessen?«
    »Was meinst du damit?«
    Er räusperte sich. Es fiel ihm sichtlich schwer, mit mir über das, was ihn beschäftigte, zu sprechen. »Ich sollte dir so etwas schenken, nicht Richard. Und du solltest es auch nicht von ihm annehmen.«
    »Ich brauchte neue

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