Die Nonne und der Tod
Dolch in seinem Gürtel, Jacob und ich standen auf –, dann sahen wir eine ältere Frau, die sich uns näherte, gefolgt von einem ebenso alten Mann.
»Mein Sohn ist krank«, sagte die Frau.
Hinter ihr tauchten weitere Menschen auf. Zwei von ihnen stützten einen jungen Mann.
»Haben die ihre ganze verdammte Familie mitgebracht?«, fragte Rüsch leise, doch ich hörte die freudige Erregung in seiner Stimme. In Gedanken hob er wohl schon den Kanal aus.
»Setzt euch.« Ich deutete auf die Bretter, die wir auf Steine gelegt hatten. »Wir werden ihm helfen, so gut wir können.«
Jacob folgte mir zurück in die Höhle der Schmuggler. »Sie kommen!«, rief er den anderen zu. »Sie kommen tatsächlich!« Dann drehte er sich zu mir um und schloss mich in die Arme. Vergessen waren seine Zweifel, zumindest für den Moment. »Wir werden Gutes tun, Ketlin.«
Wir werden es versuchen, dachte ich, aber ich antwortete: »Du weißt, wo alles ist. Stroh haben wir bereits in die Hütten geschafft, jetzt müssen wir den Rest nach oben bringen.«
Gemeinsam packten wir Decken, Tücher, Tinkturen und Tränke zusammen. Jacob nahm auch noch den Rucksack, in dem sich seine Aufzeichnungen befanden. Ich konnte sehen, wie aufgeregt er war.
Als wir wieder oben waren, hatten sich weit über ein Dutzend Menschen versammelt. Nur vier von ihnen waren krank, das sagten sie zumindest.
»Wir haben nicht daran gedacht, dass sie ihre Familien mitbringen«, raunte Dythmar mir zu. »Was machen wir mit denen?«
Ich hob die Schultern. »Nichts. Wenn sie bleiben wollen, können sie bleiben, aber wir werden sie nicht versorgen. Wir sind für die Kranken zuständig, nicht für die Gesunden.«
»Wir könnten ihnen was zu essen verkaufen«, sagte Rüsch leise.
Ich warf einen Blick auf die zerlumpten, mageren Gestalten, die sich verunsichert umsahen. »Und womit sollten sie das bezahlen?«
»Auch wieder wahr.«
Jacob trennte die Kranken von den nicht Erkrankten. Eine schickte er nach einer kurzen Untersuchung zurück zu den Gesunden. »Du hast einen Schnupfen, mehr nicht.«
Die Frau sah ihn zweifelnd an, widersprach aber nicht, sondern setzte sich zu den anderen.
Wir brachten die drei, die an der Seuche litten, in eine der Hütten, schichteten Stroh auf und legten sie hinein. Es waren zwei junge Männer und eine ebenfalls junge Frau. Einer der Männer hatte bereits das Bewusstsein verloren, der andere war bei klarem Verstand und scherzte mit uns, obwohl die Angst in seinem Blick flackerte. Die Frau umklammerte ein Holzkreuz und bewegte ununterbrochen die Lippen, ohne dass ein Ton zu hören war.
Wir behandelten sie. Jacob zog immer wieder seine Aufzeichnungen zurate und beobachtete mich verstohlen, während er sich um seine Kranken kümmerte. Er war unsicher und ein wenig unbeholfen, das konnte ich, die ich ihn kannte, sehen, doch er überspielte es vor seinen Patienten geschickt. Wann immer ein Kranker oder ein Familienmitglied fragte, woher er sein Wissen nahm, erzählte er die Geschichte seiner Lehre beim persischen Arzt Abdullah. Dass er nur wenige Wochen bei ihm gewesen war, verschwieg er, und auch ich sagte nichts dazu, denn die Menschen, mit denen er darüber sprach, wirkten anschließend beruhigt und ein wenig hoffnungsvoll.
Richard kehrte erst gegen Abend zurück. Ich traf ihn im Innenhof an, den man durchqueren musste, um zur Falltür und dem Geheimgang zu gelangen.
Ich erzählte ihm von unseren drei Patienten und ihren Familien, die gekommen waren, dann fiel mein Blick auf seine leeren Hände. »Johannita wollte dir nichts verkaufen?«
»Doch, nachdem sie mich stundenlang hat warten lassen.« Richard zeigte auf den Hütteneingang, hinter dem sich die Falltür verbarg. »Reden wir dort.«
Ich holte Jacob hinzu. »Komm mit, wenn du gerade Zeit hast. Es gibt Neuigkeiten.«
»Johannita weiß, dass jemand Kräuter aus den Klostergärten gestohlen hat«, eröffnete uns Richard, als wir in der Hütte mit der Falltür standen, »und ich glaube, sie vermutet, dass ich etwas damit zu tun habe. Sie hat mir jedenfalls lang und breit erklärt, dass der Bürgermeister selbst den Schutz des Klosters und all seiner Besitztümer übernommen hat. Dort sind überall Soldaten.«
»Aber wir wollen nicht stehlen, sondern kaufen, richtig?«, fragte Jacob.
Richard nickte. »Das habe ich ihr auch gesagt. Danach verlief das Gespräch entschieden freundlicher.« Er lehnte sich an einen Balken, und Staub rieselte auf seine Schultern. »Sie will uns Kräuter
Weitere Kostenlose Bücher