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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Kleidung.« Ich setzte mich auf die Strohmatratze und knöpfte das Hemd zu. »Und es ist ja nicht so, als hätte er sie für mich anfertigen lassen. Die Sachen lagen herum. Warum sollte er sie mir nicht geben?«
    Er setzte sich neben mich und ergriff meine Hand. »Es geht nicht nur um die Kleidung. Ich habe den Eindruck, dass du während meiner Abwesenheit ein neues Leben begonnen hast. Die Art, wie du mit Richard redest, über Leute, die ich nicht kenne, und Ereignisse, bei denen ich nicht dabei war … Es kommt mir vor, als wärst du vertrauter mit ihm als mit mir.«
    »Niemand hat dich gezwungen, mich anzulügen und heimlich nach Maastricht zu gehen.« Ich biss mir auf die Lippe, aber die Worte waren bereits heraus. Ich hatte geglaubt, ich wäre nicht mehr wütend auf ihn, doch anscheinend war ich es doch.
    Jacob ließ meine Hand los. »Das stimmt.«
    Einen Moment lang blieb er auf der Matratze sitzen. Ich sah, wie seine Kiefer mahlten, und setzte zu einer Erklärung, vielleicht sogar zu einer Entschuldigung an, aber er stand bereits auf. »Entscheide dich, welches Leben du führen willst, um mehr bitte ich dich nicht. So viel bist du mir schuldig. Und auch Czyne.«
    »Czyne?« Ich runzelte die Stirn. »Hast du mit ihr über uns gesprochen?«
    Jacob antwortete nicht. Der Vorhang schloss sich hinter ihm.

Kapitel 33
    Ich erklärte Richard genau, was ich brauchte, und ließ ihn die Namen der Kräuter einige Male wiederholen, bis ich sicher war, dass er sie behalten würde.
    Die Unterhaltung mit Jacob lastete auf mir, und ich begann mich selbst zu beobachten und jeden Satz, den ich zu Richard sagte, zu hinterfragen.
    Er bemerkte, wie verkrampft ich war, obwohl ich es zu überspielen versuchte, fragte aber nur einmal kurz nach. Ich behauptete, ich wäre nur müde, aber ich konnte ihm ansehen, dass er mir nicht glaubte.
    Jacob hatte die Nacht in seiner Schlafstatt verbracht, setzte sich aber zumindest neben mich, und wir frühstückten gemeinsam, auch wenn er sich sehr einsilbig gab. Unser Gespräch am Vortag erwähnte er mit keinem Wort, und auch ich äußerte mich nicht dazu.
    Richard und ich sind Freunde, das ist alles, dachte ich mindestens hundert Mal an diesem Morgen, doch ein kleiner Teil von mir fragte sich, ob ich mir da auch wirklich sicher war.
    Czyne wollte an diesem Morgen mit einem kleinen Trupp frisches Fleisch in die Stadt bringen. Sie brach noch vor Richard auf, und wir erwarteten sie erst am nächsten Tag zurück.
    Um uns die Zeit zu vertreiben, halfen Jacob und ich jenen Männern, die draußen die verlassenen Hütten für die Erkrankten herrichteten. Wir dichteten Dächer ab, räumten Unrat und Müll aus den kleinen Behausungen, arbeiteten gut zusammen, und ab und zu lachten wir sogar.
    »Ich bin in der Gegend aufgewachsen«, sagte Rüsch, als wir mittags in der Sonne saßen und Brot mit Käse aßen. »Hier lebten früher Färber. Mein Vater war auch einer, hat damals sogar geholfen, den Kanal zu graben, der vom Rhein hierherführte. Der verlief dort draußen vor der Tür.« Er biss in sein Brot und erzählte kauend weiter. »Es gab keine Brücke, nur ein paar Bretter über den Kanal. Ich kann euch gar nicht sagen, wie oft ich als Kind da reingefallen bin.«
    Jacob beugte sich neugierig vor. »Was ist aus dem Kanal geworden?«
    »Zugeschüttet haben sie ihn. Eines Tages kamen Soldaten und haben uns gezwungen, alles zuzuschütten. Die Färber sollten zum Fluss runter, dort, wo sie heute sind. Die feinen Herren störten sich wohl am Gestank, der bis in ihr Viertel zog. Hat die ganze Gegend kaputtgemacht. Erst zogen die Färber weg, dann die Händler, von denen sie ihre Waren bezogen, und dann kamen die, die nirgendwo anders hinkonnten.«
    »So wie wir«, sagte Dythmar.
    Rüsch wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und nickte. »So wie wir. Aber muss ja nicht so bleiben. Ich hab mir gedacht, wenn wir so reich werden, wie Czyne sagt, dann kauf ich den Gyrs die ganze Gegend ab und baue Häuser für uns alle. Und dann lasse ich den gottverdammten Kanal wieder ausheben.«
    Ich lachte. Rüsch grinste und schielte entweder mich oder Jacob an.
    »Entschuldigt?« Die Stimme klang klein und dünn. Ich drehte mich um und sah ein Mädchen in schmutzigen Lumpen. Es schien etwas fragen zu wollen, doch dann sah es Dythmar, drehte sich um, winkte jemandem zu, der am Rand der Gasse stand und den wir nicht sehen konnten, und rief: »Wir sind richtig!«
    Schlurfende Schritte – Rüsch legte die Hand an den

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