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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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zur alten Scheune gehen sehen, und zwar allein.«
    Sein ältester Sohn öffnete den Mund. Es sah für mich so aus, als wolle er widersprechen, aber Adalbert ergriff seinen Arm und schüttelte kurz den Kopf.
    »Wer weiß, welche Dinge er dort getrieben hat …«
    »Jupp?« Mutter wirkte ebenso ungläubig wie verärgert.
    »Welche Dinge er dort getrieben hat«, wiederholte Josef lauter, »und mit wem! Gottes Zorn hat ihn getroffen und alle in seiner Sippe. Aber er ist nicht der Einzige, der sich versündigt hat.«
    Wieso redet er darüber? , dachte ich. Weiß er denn nicht, dass ich ihn gesehen habe? War er zu betrunken?
    Josef ging langsam um den Tisch herum. Seine Stiefelsohlen knallten auf den harten, alten Fußboden. Ein Holzscheit im Kamin knackte. Ich zuckte erschrocken zusammen.
    Josef zeigte auf mich, richtete seinen Blick aber auf Mutter. »Deine Tochter weiß, wovon ich spreche. Sieh sie dir nur an! Die Schande steht ihr ins Gesicht geschrieben.«
    »Ich schwöre dir, Josef, wenn du nicht gleich sagst, was das soll …«
    Er unterbrach sie. »Dieser tätowierte Teufel kam jeden Tag in euer Haus und schlich sich erst bei Dunkelheit zurück. Und die Laute, die man aus eurer Stube hörte … Fremde Zungen!«
    Ich trat einen Schritt vor. Die Angst in meinem Magen verwandelte sich in heißen, brennenden Ärger. »Er hat mir Latein beigebracht!«
    Adalbert begann zu lachen. »Ein Latein sprechender Gaukler?«
    Knut fiel in sein Gelächter ein. Es klang wie das Meckern einer Ziege.
    »Nicht jeder ist so ungebildet und dumm wie du«, fuhr ich ihn an.
    Josef hob die Hand. Einen Moment befürchtete ich, er würde ausholen, um mich zu schlagen, doch er bat sich mit der Geste nur Ruhe aus. Knuts Meckern verstummte so plötzlich, als habe man eine Tür zugeschlagen.
    »Ich weiß nicht, was ihr getan habt, und ich will es auch nicht wissen«, sagte Josef. Er drehte sich um und begann vor uns auf und ab zu gehen. »Was auch immer es war, ihr habt den Teufel in unser Dorf gelockt. Deshalb sind die Gaukler so schnell verschwunden, als der Erste krank wurde. Sie wussten, dass man ihnen früher oder später auf die Schliche kommen würde.«
    Hinter uns knarrte Holz. Ich glaubte jemanden flüstern zu hören, aber als ich den Kopf drehte, sah ich nur den im Halbdunkel liegenden Gang.
    »Aber du, Magda, du bist zu stolz.« Josef verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Adalbert stand nun ebenfalls auf und zog Knut mit auf die Füße. Ich sah, dass beide einen Dolch im Gürtel trugen.
    »Du bist hiergeblieben und tust so, als wollest du den Kranken helfen.« Josef blieb wieder vor Mutter stehen. »Aber in jede Hütte, in die du einkehrst, bringst du nur Unheil. Die Kranken, die dein Gebräu trinken, sterben, und die, die dir dabei zu nahe kommen, werden krank. Nur du bleibst gesund, obwohl du Tag für Tag die schlechte Luft der Seuche einatmest.«
    Irgendwo im Haus schepperte Metall. Niemand reagierte darauf. Adalbert und Knut kamen so langsam um den Tisch herum, als wollten sie ein scheues Kalb einfangen.
    Ich sah, wie Mutters Blick kurz zu ihnen zuckte, aber dann zu Josef zurückkehrte. »Ich werde gesund bleiben, solange es Gott gefällt«, sagte sie.
    »Du meinst wohl dem Teufel!«, schrie Knut. Seine rechte Hand lag auf dem Dolch.
    Mutter beachtete den Jungen nicht. »Wenn du uns nur aus diesem Grund herbestellt hast, um uns so einen abergläubischen heidnischen Unsinn zu erzählen, werden wir jetzt gehen. Ich hoffe, es stört dich nicht, dass wir euch in unsere Gebete einschließen.«
    Sie drehte sich um und nickte mir dabei zu. »Komm, Ketlin.«
    »Ja, Mutter.«
    Wir kamen nur bis zur Stubentür. Vor uns polterten plötzlich Schritte durch den Flur, dann bedrängten uns drei Männer. Einer, ein älterer Gemüsebauer namens Jörg, stieß mich zurück in den Raum. Ein zweiter, Michael, packte Mutter bei den Schultern, während Seitz, der breit gebaute Tagelöhner, im Türrahmen stehen blieb.
    »Huren!«, schrie er. »Teufelshuren!«
    Die Worte hallten in meinem Kopf. Nur die Wand in meinem Rücken hielt mich noch aufrecht. Auf einmal begriff ich, dass ich in Gefahr schwebte, dass diese Männer, mit denen wir unser Leben lang zusammengelebt hatten, uns etwas antun wollten.
    Mutter wand sich in Michaels Griff. Er krümmte sich zusammen und hustete, ließ sie aber nicht los.
    »Was hat euch der Teufel dafür versprochen, dass ihr Unschuldige verführt und in seine Arme treibt?«, schrie Josef. »Jeder einzelne Kranke hat sich

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