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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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habe eine schwarze Katze an seinem Lager gesehen, kurz bevor ihn das Fieber niederwarf. Seitdem zogen Männer und Frauen mit Knüppeln durch das Dorf und töteten jede Katze, die sie fanden. Knut hatte sogar einem Ziegenbock die Kehle durchgeschnitten, weil der Teufel ihn durch dessen Augen angesehen habe, so behauptete er zumindest steif und fest.
    »Ketlin?«
    Mutters Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Rasch stand ich auf und klopfte mir das Stroh von der Kleidung.
    »Ketlin, wo bist du?«
    »Ich komme!«, rief ich zurück. Durch das offen stehende Scheunentor lief ich nach draußen.
    Mutter stand neben dem Weiher, die Hände in die Hüften gestützt und sah sich suchend um. Als sie mich sah, schüttelte sie den Kopf. »Was machst du denn da?«
    »Nichts.«
    Sie hob die Augenbrauen, fragte aber nicht weiter nach. Ich hätte ihr auch keine gute Antwort geben können.
    »Josef hat uns zu sich befohlen«, sagte sie stattdessen.
    »Was will er denn?«
    »Das werden wir sehen.« Mutter drehte sich um und ging voran. Ihre Schritte waren lang und entschlossen, so wie immer, aber in meinem Magen breitete sich ein unangenehmes Gefühl aus. Seit Mutter den Gauklern erlaubt hatte, auf unserem Land zu lagern, hatte Josef kein Wort mehr mit uns gewechselt. Die Dinge, die wir wissen mussten –, wie viele Steuern wir zu zahlen hatten und Ähnliches – ließ er uns durch andere mitteilen.
    Auf der Straße holte ich Mutter ein. »Ist er krank?«
    »Adalbert hätte es bestimmt gesagt, wenn es so wäre.«
    »Aber was will er dann von uns?«
    Mutter drehte den Kopf und schob die Kapuze ihres Umhangs zurück, damit sie mir in die Augen sehen konnte. »Du musst lernen, dir erst Sorgen zu machen, wenn es einen Anlass dazu gibt. Sonst wirst du dein ganzes Leben Angst vor Dingen haben, die niemals eintreten.«
    Sie klang so überzeugend, dass ich ihr beinahe geglaubt hätte, doch das Flackern in ihren Augen verriet sie. Mutter machte sich ebenso große Sorgen wie ich.
    »Ja, Mutter«, sagte ich und tat dabei so, als bemerkte ich nichts.
    Wir gingen die leere Straße entlang. Niemand hielt sich draußen auf, obwohl das Wetter trocken war und man die Kälte im Sonnenschein kaum spürte. Kranke wie Gesunde blieben in ihren Hütten, denn niemand wusste, in was der Teufel lauerte oder in wem.
    Die Hütte, in der Jupp mit seiner Familie gelebt hatte, tauchte links von uns auf. Jemand hatte die Tür mit Brettern vernagelt und ein einfaches, aus Zweigen zusammengesetztes Kreuz davor in den Boden gesteckt. Wir bekreuzigten uns und gingen weiter.
    »Warst du heute Morgen schon bei Hans?«, fragte ich.
    »Ja, es geht ihm schlechter.«
    Seit die Krankheit um sich griff, ging Mutter jeden Morgen bei Sonnenaufgang in die Hütten der Leidenden und brachte ihnen einen Sud, der das Fieber senken und die Schmerzen lindern sollte. Im Haus roch es bitter und scharf. Nächtelang kochten die Kräuter vor sich hin. Unsere Vorräte waren fast aufgebraucht, und der winterliche Boden brachte keine neuen Kräuter hervor. Ich saß oft stundenlang in der Stube und betete für die Kranken, aber noch war keiner von denen, die das Fieber niedergestreckt hatte, wieder von seinem Lager aufgestanden.
    »Du solltest mich helfen lassen«, sagte ich, als Josefs Haus in Sicht kam. »Du bürdest dir zu viel auf.«
    Mutter schüttelte den Kopf. »Ich möchte nicht, dass du den Kranken zu nah kommst. Richard, möge der Herr ihn für seine Feigheit strafen, hatte mit einem recht: Je ferner man der Krankheit bleibt, desto besser.«
    Die Erwähnung seines Namens versetzte mir einen Stich. »Was meinst du, wohin sie gegangen sind?«
    »Es ist mir egal. Ich denke nicht darüber nach.« Mutters Stimme war scharf wie eine Klinge. Richard hatte nicht nur mich enttäuscht.
    Josefs Haus war das größte im Dorf. Er lebte dort mit seinen beiden Söhnen und drei Töchtern. Seine jüngste Tochter Gerlin war schwachsinnig auf die Welt gekommen und wurde beim Vieh im Stall gehalten. Manchmal, wenn man am Haus vorbeiging, hörte man sie heulen wie einen Hund.
    Ein kleiner Weg führte von der Straße zum Haus. Hühner und Gänse liefen über den Hof, eine Brise trug Viehgeruch aus dem Stall zu uns. Außer Josef und Mutter konnte es sich niemand im Dorf leisten, das Vieh über den Winter zu bringen. Die meisten Bauern hatten gerade genug für sich selbst zu essen.
    Mutter klopfte an die Tür. Wir hörten Schritte, dann öffnete Metze, Josefs älteste Tochter, die Tür. »Kommt rein«, sagte

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